Eine Rezension von Gerhard Keiderling


Alles über den Deutschen Bundestag

Peter Schindler:
Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999
Gesamtausgabe in drei Bänden. Eine Veröffentlichung der Wissenschaft-
lichen Dienste des Deutschen Bundestages.
Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1999, 4392 S.


Das vorliegende Datenhandbuch ist das umfassendste und umfangreichste Nachschlagewerk über den Deutschen Bundestag, das bislang erschienen ist. Die durch Zusammenlegung bestehender Einrichtungen 1970 gegründete Hauptabteilung Wissenschaftliche Dienste gab 1984 erstmals unter Federführung von Peter Schindler - bis vor kurzem Leiter des Referats Parlamentsgeschichtliche Dokumentation der Bundestagsverwaltung - ein Datenhandbuch für den Zeitraum 1949 bis 1982 heraus. Es folgten mehrere Fortschreibungs- und Ergänzungsbände bis 1991. Anläßlich des 50jährigen Bestehens des Deutschen Bundestages erfolgte die vorliegende Gesamtausgabe, die die bisherigen vier Datenhandbücher zusammenfaßt, sie ergänzt und bis Anfang 1999 fortschreibt. Um die Dokumentation möglichst nahe an das Jubiläum heranzuführen, war - wie Peter Schindler hervorhebt - ein editorischer Kompromiß notwendig. Während die Bearbeitung allgemein mit dem 31. August 1997 abbricht, führt ein Nachtrag die wichtigsten Änderungen zu ausgewählten Themenbereichen bis zum Stand April/Mai 1999 - also bis kurz vor Drucklegung des dritten Bandes - fort. Dadurch können der Abschluß der 13. Wahlperiode, die Bundestagswahlen von 1998 und die wichtigsten Ämterbesetzungen zu Beginn der 14. Wahlperiode berücksichtigt werden.

Die drei Bände sind in 36 Kapitel gegliedert. Hierin findet sich alles, was der Parlamenta-rier, der Politiker, der Wissenschaftler, der Journalist und der interessierte Bürger über Entstehung und Entwicklung, Wahl und Zusammensetzung sowie Organisation und Arbeitsweise des Bundestages erfahren will. In bewährter Weise nach Sachthemen geordnet, wird alles Wissenswerte auf aktuellstem Stand zusammengetragen und in übersichtlicher Form mit vielen Statistiken, Tabellen, Namenslisten, Chroniken u.a. dargeboten.

So umfaßt das erste Kapitel „Wahlen zum Deutschen Bundestag“ auf über 300 Seiten die Wahlgesetze und Wahlrechtsregelungen, die Wahltermine, die Wahlberechtigten, die Wahlbeteiligung, die zur Wahl angetretenen Parteien und Wählergruppen einschließlich ihres Wahlkampfes, die nach Bundesebene, Bundesländern und Parteien aufgeschlüsselten Wahlergebnisse, die Wahlanalysen u.a.m. In weiteren Kapiteln werden die Mitglieder des Deutschen Bundestages, seine Organe (Präsidium, Vorstand, Ältestenrat), die Fraktionen und Gruppen, die Arbeitsweise des Plenums und der Ausschüsse, die Funktionen des Bundestages (Regierungsbildung, Kontrolle, Gesetzgebung und Repräsentation) vorgestellt.

Mit welcher Gründlichkeit die Daten zusammengetragen und bearbeitet wurden, sei an den Kapiteln und Abschnitten über die Mitglieder des Bundestages aufgezeigt. Neben den gesetzlichen Bestimmungen über die Statusrechte des Abgeordneten werden die Alters- und Sozialstruktur, die Doppelmitgliedschaften in Landtagen und im Europäischen Parlament, die Mitgliedschaften in Parlamenten vor 1949, das Parlamentsverständnis der Abgeordneten und sogar deren Zeitbudget dargelegt. Natürlich sind alle Mitglieder des Bundestages von 1949 bis 1998 aufgeführt, sogar mit ihrer Bibliographie.

Die Wiederherstellung der deutschen Einheit 1989/90 bildet einen eigenen Schwerpunkt in Band II und III. Die Ereignisse zwischen dem 17. Juni 1989, als der Bundestag die ersten Ahnungen einer sich anbahnenden Wende in der DDR artikulierte, und dem 15. März 1991, als der Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland - der „Zwei-plus-vier-Vertrag“ - in Kraft trat, sind in einer detaillierten Chronik erfaßt. Auf mehr als 200 Seiten wird die Volkskammer der DDR zwischen dem „Wende“-Herbst 1989 und dem Beitritt zur Bundesrepublik im Oktober 1990 dokumentiert, wobei das Gewicht auf der letzten, durch die freien Wahlen vom 18. März 1990 gebildeten Volkskammer liegt. Auch andere Kapitel nehmen zur deutschen Einheit Bezug. Es gibt Abschnitte über die Beziehungen zwischen Bundestag und Volkskammer von 1949 bis 1989, zur Überprüfung auf eine Stasi-Tätigkeit in der DDR, über die Mitgliedschaft ostdeutscher Abgeordneter in führenden Positionen des Bundestages und der Bundesregierung u.a.m.

Einen breiten Raum nimmt auch der Hauptstadtbeschluß des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 einschließlich seiner Vorgeschichte ein. Der 1999 erfolgte Umzug des Parlaments an seine traditionelle Stätte im Berliner Reichstagsgebäude wird chronikalisch festgehalten. Die neuen Parlamentsgebäude werden vorgestellt, selbst die spektakuläre Verhüllung des Reichstages durch Christo 1995 findet ihre Behandlung samt Foto.

Beeindruckend ist die relativ einfache Handhabung der Gesamtausgabe. Es gibt die üblichen Sach-, Personen-, Gesetzes- und Plenarsitzungs-Register und außerdem ein Verweissystem innerhalb der Bände, das ein schnelles Nachschlagen zu Sachfragen, Persönlichkeiten und Literatur in anderen Kapiteln ermöglicht. Ein Quellen- und Literaturverzeichnis über den Deutschen Bundestag rundet das Ganze ab.

Das Ergebnis ist ein dreibändiges Datenhandbuch, das mehr als ein Arbeitsmittel und ein Nachschlagewerk für Parlamentarier und Politiker ist. Mit Fug und Recht kann man es ein Parlamentsgeschichtsbuch nennen, das durch seinen Informationsreichtum hoffentlich vielen unentbehrlich sein wird.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08+09/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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