Eine Annotation von Gisela Reller


Drechsler, Karl:
GegenSpieler: John F. Kennedy - Nikita Chruschtschow.

Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 1999, 185 S.

 

GegenSpieler - das ist eine Reihe, die unterschiedlichste Personen vorstellt, die im 20. Jahrhundert Kontrahenten waren. So erschienen u. a. Lady Diana - Königin Elisabeth, Beatles - Rolling Stones, Gerhard Löwenthal - Karl-Eduard von Schnitzler. GegenSpieler - das sind Biographien und Geschichte(n) von Menschen, die im Wettbewerb der Ideen und Überzeugungen standen. Ihre Rivalität ist mal wohlwollend, mal unerbittlich, aber jederzeit spannend. Spannend, hervorragend geschrieben und in einem Maße objektiv, wie es schon ungewohnt ist - das ist der Band über die Gegenspieler Kennedy und Chruschtschow, die ihre Länder zeitgleich von Januar 1961 bis November 1963 lenkten. Der Autor Karl Drechsler, Jahrgang 1932, ist emeritierter Professor für Neueste Geschichte, von ihm stammen zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Geschichte der USA und der internationalen Beziehungen.

US-Präsident Kennedy und der sowjetische Parteichef Chruschtschow verkörpern das klassische Duell des Jahrhunderts: den atomwaffenstarrenden Kalten Krieg der sechziger Jahre. Gleichzeitig traten sowohl Kennedy als auch Chruschtschow das jeweils höchste Amt ihres Landes mit dem Versprechen an, für innenpolitische Reformen und soziale Versöhnung einzutreten. Das Kind einer wohlhabenden Ostküsten-Familie verkörperte wie kein anderer US-Präsident vor ihm den amerikanischen Traum - jung, liberal und engagiert. Der Sohn eines Grubenarbeiters im zaristischen Rußland formulierte als Erster Sekretär des Zentralkomitees der KPdSU die kommunistische Verheißung nach dem Stalin-Terror neu - selbstbewußt, temperamentvoll und um Geradlinigkeit bemüht. Doch John F. Kennedy und Nikita Sergejewitsch Chruschtschow standen vor allem an der Spitze weltweit rivalisierender Systeme - und somit einander gegenüber: schwerbewaffnet und die eigenen Einflußsphären fest im Auge.

Dieser GegenSpieler-Band handelt von großer Geschichte - besonders beeindruckend dargestellt das Kapitel über den Verlauf der Kubakrise, bei der die Welt im Jahre 1962 dreizehn Tage lang am Abgrund eines Atomkrieges stand - und beeindruckenden kleinen Geschichten und Äußerungen. Von Chruschtschow wird enthüllt, wie rüde er sich anläßlich der Moskauer Kunstausstellung gegenüber Ernst Neiswestny verhalten hatte, daß er sich später bei dem Künstler entschuldigte und in seinem Testament verfügte, daß Neiswestny gebeten werden solle, ein Denkmal für sein Grab zu schaffen; es steht noch heute auf dem Friedhof des Moskauer Nowodewitschij-Klosters. „Fand Chruschtschows Aufstieg zur Macht im Schatten Stalins statt“, schreibt Drechsler, „so verlief die Karriere Kennedys im Windschatten väterlicher Beziehungen.“ Von Vater Joe Kennedy, der machthungrig und skrupellos dargestellt ist, wird die enthüllende Äußerung übermittelt: „Mit dem, was ich ausgebe, könnte ich meinen Chauffeur wählen lassen.“

In einer der letzten Nächte, die Jacqueline Kennedy im Weißen Haus verbrachte, schrieb sie einen sehr persönlichen Brief an Chruschtschow, in dem es hieß, sie schicke dieses Schreiben, „weil ich weiß, wie wichtig der Friede für meinen Mann war und wie sehr ihm die Freundschaft mit Ihnen am Herzen lag. (...) Sie und er waren Gegner, die jedoch die Überzeugung verband, daß man die Welt nicht in die Luft sprengen darf. Sie respektierten einander und kamen miteinander aus.“


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 06+07/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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