Eine Annotation von Licita Geppert


Norman, Diana:
Im Auftrag des Königs
Roman. Aus dem Englischen von Rainer Schmidt.

Wolfgang Krüger Verlag, Frankfurt/M. 2000, 400 S.

 

Ein deutscher Kurfürst, Georg von Hannover, war Anfang des 18. Jahrhunderts zum englischen König George I. erhoben worden. Dies war geschehen auf Wunsch eines Teils des englischen Volkes, der Whigs, die die verhaßten katholischen Stuarts vom Thron vertreiben wollten. Der Prätendent Jakob Stuart mußte sich in Frankreich ins Exil zurückziehen und sollte im Laufe der Geschichte mehrere erfolglose Versuche zur Landung in England unternehmen.

Lady Cecily Fitzhenry, als Waise ehemaliges Mündel von Queen Anne und nunmehrige Hofdame von Prinzessin Caroline, wird durch ihre Freundin Anne, ohne es zu ahnen, in eine Befreiungsaktion von deren Vater, einem schottischen Rebellen, verwickelt und von dem de facto mächtigsten Mann im Staate, dem Ersten Minister Sir Robert Walpole, bestraft. Die Strafe ist zwar unangenehm, aber noch erträglich. Die Heirat mit dem wesentlich älteren, einfältigen Bürgerlichen Lemuel Potts, einer Kreatur Walpoles, gibt Cecily zwar in ihren Kreisen der Lächerlichkeit preis, sichert ihr aber dennoch ein angenehmes Leben. Dramatisch wird die Situation erst in Folge des ersten Börsencrashs der Geschichte, der Pleite der South Sea Company, die nicht nur Sir Lemuel mit Cecilys Vermögen in den Abgrund reißt, sondern ganz England in eine schwere Krise stürzt.

Lemuel wählt die Flucht als Ausweg, aber leider ist er sogar zu einfältig, einen ordentlichen Selbstmord zu begehen. Er behält Schäden zurück, die denen eines Schlaganfalls ähneln, und erholt sich nur mühsam, doch damit nicht genug, trotz seines sabbernd-abwesenden Zustandes muß er in das berüchtigte Schuldnergefängnis. Cecily, ganz von ihren ehelichen Pflichten durchdrungen, steht ihm in dieser Situation bei. Ein unbekannter Gönner befreit Lemuel und vor allem Cecily aus dieser entwürdigenden Lage, die aber für für Cecilys Zukunft durchaus persönlichkeitsprägend wirken sollte. Jener unbekannte Gönner hatte ihnen auch ein entferntes Anwesen gekauft, ohne sich über dessen Zustand zu informieren. Cecily, mit ihren Nerven am Ende, flieht regelrecht mit ihrem Mann und dessen Schwester zu dem alten Wirtshaus, das sich als verwunschene Ruine entpuppt. In diesem Moment schließt Cecily einen folgenschweren Pakt mit dem Teufel. Um sich an Walpole zu rächen, ist ihr von nun an jedes Mittel recht. Sie findet Kumpane, ebenfalls durch Walpole Verarmte, mit deren Hilfe sie sich auf kriminelle Weise eine neue, bürgerliche Existenz aufbaut. Bis sie jedoch deren wahren Wert erkennt und zu schätzen weiß, müssen noch allerhand Abenteuer bestanden, einige Verwandte zu Grabe getragen und manche Träne vergossen werden. Jakob Stuart, der Kronprätendent, versucht, Cecily für seine Zwecke zu benutzen. So liegen zwei Seelen in ihrem Innern im Widerstreit: die aufrechte protestantische und die durch Walpole gedemütigte. Am Ende wird Cecilys Wunsch nach Rache teilweise erfüllt, sie wird ihr Land retten, und die Historie wird so weitergehen, wie wir sie heute kennen.

Wäre das Buch eine Autobiographie, so wäre die Diktion mit selbstironisch wohl am treffendsten zu charakterisieren. Die Autorin schreibt mit Anteilnahme für das Schicksal ihrer Heldin, aber auch mit unübersehbarer Distanz zu deren Adelsallüren. Sie läßt sie über sich selbst reflektieren, übernimmt auch bisweilen diesen Part für Cecily. Die abenteuerliche Story bezieht ihre Würze gerade aus dieser Mischung. Historisch gut abgesichert und stimmig in den Details erzählt sie die Lebensgeschichte Lady Cecilys mit Sprachwitz und gutem Gespür für Dramatik. Ohne jedes Herz-Schmerz-Getue flicht sie eine gebrochene Liebesgeschichte in die Handlung. Besonders gelungen und amüsant ist das Aufeinandertreffen von Cecilys höfisch geprägten lebensfremden Ansichten und dem harten Leben, in dem sie als faktisches Oberhaupt der Familie für deren Unterhalt sorgen muß. Die sich daraus ergebenden komisch-tragischen Verwicklungen prägen die junge Adlige nachhaltiger, als sie sich zunächst einzugestehen bereit ist, und führen sie schließlich auch zum Happy-End. Obwohl das Buch mitunter am Rande der Trivialität balanciert, ist es dennoch historisch fundiert und spannend.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 06+07/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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