Eine Annotation von Maria Careg


Malerba, Luigi:
Das griechische Feuer
Roman. Aus dem Italienischen von Iris Schnebel-Kaschnitz.

Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1991, 214 S.

 

In bibliophiler Aufmachung kommt das Buch daher: schwarzer Leineneinband, Golddruck und sogar goldene Innenseiten. Komplettiert wird diese Einbandgestaltung von dem Bildnis einer schönen, reichgeschmückten jungen Frau. Der Einband führt direkt zur Handlung - Reichtum und Verderben, eine nymphomane Kaiserin und die nicht mit Gold aufzuwiegende Geheimformel des griechischen Feuers bestimmen die Dramatik der Handlung. Malerba beschreibt uns in kristallklarer Sprache und mit nur wenigen Worten für schmückende Details das Leben im Kaiserpalast von Byzanz vor eintausend Jahren.

Seit fast vier Jahrhunderten ist die Formel für das griechische Feuer das weltweit am besten gehütete Geheimnis, war es doch der Garant für die Unbesiegbarkeit des byzantinischen Reiches und für dessen ewig währende Herrschaft. Daraus ergibt sich von selbst, daß nicht nur das griechische Feuer selbst eine Todbringende Waffe war, sondern auch das Wissen um die Formel denjenigen, der es besaß, wie das Feuer verschlingen würde. All jene, die es herstellten, wurden eingemauert, die Zungen wurden ihnen vorsorglich herausgeschnitten, und der Zugang zu ihnen war versperrt. Nur der Kaiser und sein Werkmeister kannten die Formel. Letzterer wird eines Tages mit durchschnittener Kehle in seiner Werkstatt aufgefunden, das kostbarste aller Pergamente ist verschwunden. Nicht nur Joseph Bringas, ein Eunuch und als die rechte Hand des Kaisers („der neben dem Kaiser schläft“) die mächtigste Person im Land, gerät in Bedrängnis, viel mehr noch Leo Phokas, als Kuropalates dessen Widersacher, der mit der Aufklärung des Falles und vor allem der Wiederbeschaffung des kostbaren Schriftstücks beauftragt wird. Leo Phokas steht somit vor einer unlösbaren Aufgabe. Erstens kann er das Pergament gar nicht kennen, wie also sollte er es erkennen, und zweitens - und das wiegt schwerer - würde er es erkennen, wäre er dem Tode geweiht. Die Usurpation der kaiserlichen Macht durch seinen Bruder Nikephorus mittels des griechischen Feuers rettet ihm zunächst das Leben, allerdings währt nichts ewig auf dieser Welt.

In dem hier konstruierte Kriminalfall wird virtuos mit Dutzenden von Verwicklungen und Verflechtungen jongliert, die von den Helden erzeugt werden und in die sie gleichzeitig geraten, bis die Unterschiede von Ursache und Wirkung völlig aufgehoben zu sein scheinen. Die Analyse ist scharfsinnig und psychologisch tiefgründig, folgt im Grunde jedoch dem Leitsatz „Macht korrumpiert“. Malerba führt uns anhand des Beispiels von Theophano, der sich naiv gebärdenden Kaiserin, und des Magister Officiorum Joseph Bringas, der gleich nach dem Kaiser der gefährlichste Mann am Hofe ist, und ihrer wechselnden Liebhaber die Facetten der Macht und Gegenmacht, des Gewinnens und Verlierens vor Augen. Es entwickeln sich immer neue Machtkonstellationen mit wechselnden Protagonisten. Die Macht der Geheimwaffe, die Macht der Intrige, die Macht der Sprache: Immer ist es die Macht des Wortes, die die Geschichte vorantreibt. Im Grunde besteht die Handlung aus einer endlosen Aneinanderreihung von sophistischen Spitzfindigkeiten, die der Autor leider etwas zu häufig in endlosen intellektuellen Debatten auf die Sprache seiner Figuren überträgt, die sich dann auch noch darüber beschweren dürfen. Diese Chance hat der Leser nicht, er kann nur weiterlesen oder aufhören, jedoch möchte man die Geschichte nur ungern verlassen ...

Selbst wenn Intrigen zu allen Zeiten gleich waren und sind, so will der Leser doch schließlich erfahren, wer die geheime Formel gestohlen hat und durch wen der kaiserliche Werkmeister in seiner unzugänglichen Kammer hinter meterdicken Mauern zu Tode kam. Bis zur Aufklärung, die dann eigentlich eher unspektakulär erfolgt, werden noch etliche Mitspieler vom Leben zum Tode befördert. Einigen Intriganten gönnt man dieses Ende, und auch Theophano entgeht ihrer gerechten Strafe nicht, bei anderen ist das Herz des Lesers berührt. Aber so ist es eben - wer sich (gutgläubig oder nicht) zwischen die Mahlsteine der Macht begibt, muß damit rechnen, zerrieben zu werden.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 06+07/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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