Eine Rezension von Dorothea Körner


cover  

Weltbürger, Patrioten, Krämerseelen

 

Matthias Wegner: Hanseaten
Von stolzen Bürgern und schönen Legenden.

Siedler Verlag, Berlin 1999, 459 S.

 

 

Diese Sozial-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte der drei großen Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck wurde geschrieben, weil ein gebürtiger Hanseat der Frage nachging: Was ist das eigentlich, ein Hanseat? Wie entstand der Mythos um diesen Begriff? Wer wurde dem Standes- und Ehrentitel gerecht? Um schließlich am Ende des Buches die heikle Frage zu stellen: Wurde die hanseatische Tradition nicht von ihren Repräsentanten während des Dritten Reiches verspielt?

Matthias Wegner, langjähriger Verlagsleiter bei Rowohlt und Bertelsmann, Sohn des Hamburger Verlegers Christian Wegner und Neffe des gebürtigen Bremers Anton Kippenberg, verkörpert durch Herkunft und Typus - wie seine Zeitgenossen ihm testieren - den Hanseaten im besten Sinne. Man spürt, daß der Autor in die hanseatische Welt, für die ihn sein Vater zu gewinnen suchte, hineingewachsen ist und sie liebt. Das Buch ist der mutige Versuch, ein Klischee zu hinterfragen, mit einer Selbsttäuschung aufzuräumen, das Ende einer großen Tradition zu konstatieren und heutigen Hanseatenstolz als nicht gerechtfertigt und nostalgisch zu enthüllen. Gleichwohl ist das Buch eine zwar kritische und um historische Gerechtigkeit bemühte, aber doch eine Liebeserklärung an die oft glanzvolle „Bürgergeschichte“ der drei Stadtrepubliken.

Zunächst unterscheidet Matthias Wegner zwischen hanseatisch und hansisch. Er stellt kurz Wesen, Umfang und Bedeutung der Hanse dar, eines informellen Bundes norddeutscher See- und Handelsstädte, der den Ost-West-Handel im Nord- und Ostseeraum während des Mittelalters weitgehend bestimmte, mit der Entdeckung Amerikas aber an Bedeutung verlor und sich nach dem Dreißigjährigen Krieg auflöste. Der Hanse, deren ungekrönte Königin Lübeck war, weist Wegner das Adjektiv hansisch zu. Hanseatisch bezeichne, so Wegner, die an die Hanse-Vergangenheit anknüpfende Geschichte und Bürgerkultur der seit 1716 verbündeten, lange Zeit reichsfreien Städte Hamburg, Bremen und Lübeck. Die ehemals zur DDR gehörenden Hansestädte Wismar, Rostock und Stralsund repräsentierten - so Wegner - das Hanseatische nicht in diesem Sinne. Der Sprachgebrauch schränke Hanseat noch weiter ein, dies sei ein Ehren- und Adelstitel für das Patriziat der drei Städte gewesen, für den „königlichen Kaufmannsstand“ wie für Rechtsgelehrte, die häufig an der Regierung der Stadtstaaten beteiligt waren. In jedem Fall waren es vermögende Protestanten, die das volle Bürgerrecht besaßen, was in Bremen um 1800 auf etwa ein Siebentel der Bevölkerung zutraf. Da der Autor die Geschichte der Hanseaten erzählen will, ist dies Buch vor allem eine Kulturgeschichte des tonangebenden Bürgertums der drei Städte, ihrer berühmten Familien und großen Repräsentanten.

Matthias Wegner charakterisiert die Sozietät dieser norddeutschen Kaufleute, der „Pfeffersäcke“ mit der „flügellosen Vernunft“ (Siegfried Lenz), die gern und üppig aßen, einen ausgeprägten Sinn für Repräsentation besaßen, mit Leidenschaft Geschäfte machten, ihre Söhne vor Antritt des väterlichen Erbes auf Weltreisen schickten, mehrere Sprachen beherrschten, den englischen Lebensstil favorisierten, zur Welt des Geistes und der Künste aber eine etwas distanziert überlegene, im besten Fall mäzenatenhafte Beziehung pflegten, als eine rein patriarchalische Gesellschaft, in der mit Geldbeutel und (dem richtigen) Gesangbuch regiert wurde. „Die Ästhetik des Bremer Kaufmanns besteht in einer großen Tabaknase und in einem feinen Weingeschmack zur Weinprobe, Literatur aber und Poesie gehören nicht zu den Kolonialwaren“, äußerte ein zeitgenössischer Beobachter 1836 bissig.

Ihre Blütezeit erlebten die drei Städte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts während der Aufklärung, da diese in den bürgerlichen Republiken ganz anders als in den deutschen Feudalstaaten im öffentlichen Leben realisiert werden konnte. „Geh in die Schweiz und dann nach Hamburg, um zu wissen, was Freiheit für Leute macht; und dann an die Höfe, um zu sehen, wie Sklaverei den Menschen verschnitzelt, bis er so klein wird, daß er kriechen kann!“ schrieb Schubart. Mit großer Sympathie schildert Matthias Wegner, wie in der Aufklärung das Wort Hanseat um eine neue Nuance bereichert wurde. Nunmehr zeichnete sich ein angesehener Bürger nicht nur durch Wohlstand und Augenmaß, Fairneß und Vertrauenswürdigkeit aus, sondern auch durch den persönlichen Einsatz für das Gemeinwesen, durch kulturelles und soziales Engagement für die eigene Stadt. In Hamburg gründete der Dichter Barthold Heinrich Brokes die bis heute existierende „Patriotische Gesellschaft von 1765“ als politischen Zirkel und Lesegemeinschaft. In Bremen entstand 1783 die „Gesellschaft Museum“, in der Bremer Kaufmannsfamilien sich als Kunstmäzene betätigten. In Lübeck wurde die „Gemeinnützige Gesellschaft“ gegründet, die sich sozial engagierte.

Neben der Musik, die in Hamburg durch Carl Philipp Emanuel Bach, Telemann, Gluck und Händel repräsentiert wurde - 1678 war hier die erste Bürgeroper eröffnet worden -, bestimmten zunächst die Barockdichter Brakes und Friedrich von Hagedorn das musische Klima der Stadt. 1770 übersiedelt Klopstock von Kopenhagen nach Hamburg. 1767 versuchte Lessing mit einem Nationaltheater Fuß zu fassen, Matthias Claudius und Herder hielten sich ebenfalls vorübergehend hier auf. Doch während Klopstock und Brakes mit „Feierlichkeit, idealistischer Überhöhung und Repräsentanz“ die Herzen gewannen, ließ Lessings „kritisch funkelnde Intellektualität“ die Hanseaten kalt. Eine Stiftung aus dem Geist Rousseaus und Pestalozzis verdankte Hamburg dem Kaufmann Caspar Voght, der zusammen mit Georg Heinrich Sieveking das Handelshaus „Voght und Sieveking“ leitete. Voght, der mit Goethe Kontakt hielt und auf seiner Bildungsreise Voltaire in der Schweiz besucht hatte, kaufte in Flottbek mehrere Landgüter, auf denen er mustergültige Landwirtschaft betreiben ließ, einen Landschaftspark nach englischem Vorbild anlegte und eine berühmte Baumschule gründete.

In Lübeck führte die erste promovierte Frau Deutschlands, Dorothea Schlözer, als Ehefrau des Kaufmanns und Bürgermeisters Matthäus Rodde ein offenes Haus. Von dem Lübecker Kaufmann Christian Adolph Overbeck (dem Vater des Malers) stammen die Lieder „Komm, lieber Mai“ und „Morgen, Kinder, wird’s was geben“.

Der Theologe und langjährige Bremer Bürgermeister Johann Smidt, ein Schüler und Freund Fichtes, befreundet mit Goethe, Alexander von Humboldt, den Grimms, Friedrich Schlegel u. a., vertrat als gewiefter Diplomat - ein „hanseatischer Talleyrand“ - auf dem Wiener Kongreß die spezifischen Interessen der drei Hansestädte. Später war er Alterspräsident der Nationalversammlung. Auf seine Initiative gehen der Bau des Überseehafens Bremerhaven wie auch der Bremer Tabakhandel zurück.

Wegner berichtet von dem Niedergang der Hansestädte während der napoleonischen Besatzung, der daraus erwachsenden Sehnsucht nach Rückhalt in einem geeinten Deutschland und dem Konflikt der Hansestädte zwischen traditioneller Zollfreiheit und der Notwendigkeit von Zöllen zum Schutz der deutschen Industrie, der schließlich zur Gewährung von Freihäfen in Bremen und Hamburg führte. In einem eigenen Kapitel geht er auf die Judenfrage ein und den seit den Befreiungskriegen zunehmenden Antisemitismus. In Hamburg, wo die meist im 16. Jahrhundert eingewanderten sephardischen Juden knapp fünf Prozent der Bevölkerung ausmachten, stellten sie für die „deutschen“ Kaufleute eine ernsthafte Konkurrenz dar. Eine herausragende Gestalt unter den jüdischen Kaufleuten, Heinrich Heines Onkel, der Bankier Salomon Heine, ließ während des furchtbaren Brandes in Hamburg 1842 sein Wohnhaus sprengen, damit das Feuer nicht übergreifen konnte. Auf ihn gehen das noch heute existierende Isrealitische Krankenhaus und die Hartwig-Hesse-Stiftung für bedürftige Witwen zurück.

Auch wenn Matthias Wegner vor allem die Geschichte herausragender hanseatischer Patrizier erzählt, weiß er um die Elendsviertel, die Masse der Armen und die Zeiten großer Arbeitslosigkeit in den drei Städten. Besonders in Hamburg, wo die Prunksucht der Reichen im 19. Jahrhundert sich in dem Bau von Palästen an den Ufern von Elbe und Alster manifestierte, war der Gegensatz zu den hygienisch unzumutbaren Verhältnissen in der mittelalterlichen Innenstadt kraß. Die Fleete wurden bei Niedrigwasser zu stinkenden Kloaken, Sturmfluten suchten immer wieder besonders die ärmeren Wohnquartiere heim. Ein Kapitel des Buches ist daher dem Wiederaufbau Hamburgs nach der verheerenden Brandkatastrophe 1842 gewidmet, die die gesamte Innenstadt vernichtete. Die Stadt erhielt nun nach englischem Vorbild Kanalisation und moderne Wasserversorgung, Gasbeleuchtung, Feuerschutz und WCs. Die südlich anmutenden Alsterarkaden entstanden, das Alsterbecken wurde neu angelegt, die Stadt verschob ihren Mittelpunkt von der Elbe an die Alster. Matthias Wegner konstatiert schon in jener Zeit des Wiederaufbaus in den 40er Jahren einen Verrat des Hamburger Patriziats an den eigenen demokratischen hanseatischen Idealen: „... die Stadtelite verschloß sich der Einsicht in die Notwendigkeit dringender sozialer Reformen. Sie wähnte sich demokratisch und hatte doch nur die Beibehaltung der eigenen Privilegien im Auge.“ 1833 hatte zwar der Theologe Johann Hinrich Wichern mit Hilfe von Syndikus Sieveking und anderen wohlhabenden Hamburger Bürgern das „Rauhe Haus“ gegründet, eine „Rettungsanstalt für verwahrloste Kinder“, zu der später eine Diakonenanstalt, eine Schule und ein Alten- und Pflegeheim hinzukamen. Dies war jedoch ein christlicher Gegenentwurf zu den grassierenden kommunistischen Ideen.

Ihre reichste und historisch bedeutsamste Zeit erlebten Bremen und Hamburg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Flut der Auswanderer nach Amerika - allein 1854 waren es 230 000 - ließ beide Städte reich werden. In Bremen, wo man die Zeichen der Zeit erkannte, gründete Hermann Heinrich Meier - Initiator der „Gesellschaft zur Rettung der Schiffbrüchigen“ und Mitbegründer der „Bremer Bank“ - mit dem „Norddeutschen Lloyd“ eine der größten Passagierschiffahrtslinien der Welt, die ab 1860 auch die englisch-amerikanische Post beförderte. 1847 gründete Adolph Godeffroy, der aus einer berühmten Hamburger Kaufmanns- und Reederfamilie stammte, die „Hamburg-Amerika-Packetfahrt-Actien-Gesellschaft“ (Hapag). Sie begann zunächst noch mit Segelschiffen, stieg aber schnell auf Dampfschiffe um und überflügelte gegen Ende des Jahrhunderts den Lloyd.

Die großen Hamburger Reeder Robert Miles Sloman und César Godeffroy schufen mit ihren Handelsschiffen den Grundstock für die spätere deutsche Marine. Besonders die Familie Godeffroy - aus der Schweiz eingewanderte Hugenotten, die Ende des 18. Jahrhunderts riesigen Landbesitz in Blankenese erworben hatte - beherrschte bald ein überseeisches Imperium. Für den „König der Südsee“, wie César VI. Godeffroy genannt wurde, kreuzten 100 Segler an den Küsten von Süd- und Mittelamerika und in der Südsee, wo er mit Perlmut, Perlen und Kokosnüssen handelte. Mit etwa 50 Niederlassungen in der Südsee wurde er zum Wegbereiter des deutschen Kolonialismus. Als César Godeffroy den Überblick über sein Imperium und seine Kreditverpflichtungen verlor, mußte er 1879 die Firma liquidieren.

In der späten Kaiserzeit waren es vor allem zwei jüdische Unternehmer, die für Hamburg bedeutsam wurden: Albert Ballin und Max Warburg. Ballin, ein dänischer Jude, der sich aus eigener Kraft emporgearbeitet hatte, wurde 1899 Generaldirektor der Hapag, die schon bald Niederlassungen in Berlin, Wien, Dresden und Frankfurt besaß. Nach einer Choleraepidemie, die in Hamburg 8 000 Tote forderte, baute er große Auswandererhallen, in denen die Ausreisewilligen unter menschenwürdigen Bedingungen auf die Überfahrt warten konnten. Mit niedrigen Preisen ermöglichte er auch den Ostjuden die Ausreise. Als ein Mann des Ausgleichs und der Verständigung beobachtete Ballin mit Skepsis die arrogante Flottenpolitik des Kaisers, die England verunsichern mußte. Obwohl Ballin mit Wilhelm II. befreundet war, wurde sein Rat nicht gehört. Er war nüchtern genug, die Katastrophe des Ersten Weltkrieges vorauszusehen.

Die im 16. Jahrhundert aus Westfalen eingewanderten Warburgs, die in Blankenese ein großes offenes Haus führten, gehörten in der späten Kaiserzeit und der Weimarer Republik zu den bedeutendsten Bankiers Hamburgs und Deutschlands. Die Warburg-Bank unterhielt enge Beziehungen zu einer Bank in New York, an der zwei Brüder Warburg beteiligt waren. Der älteste der Geschwister - Aby Warburg - trug in der Weimarer Republik mit seiner von der Familien-Bank finanzierten Kunstbibliothek zum wissenschaftlichen Weltruhm Hamburgs bei.

Kunstsinn und geschäftlichen Welterfolg vereinigte auch der Bremer Kaufmann Ludwig Roselius, der ein Verfahren entwickelt hatte, dem Kaffee das Koffein zu entziehen, und daraufhin 1906 die Firma „Kaffee-HAG“ gründete. Auch mit „Kaba, dem Plantagentrank“ machte er große Geschäfte. Roselius schätzte den Bildhauer Bernhard Hoetger, war mit Heinrich Vogeler befreundet und kaufte nach Paula Modersohn-Beckers Tod deren Nachlaß auf. Er finanzierte den künstlerischen Neubau der gesamten Böttcherstraße in Bremen.

In der Weimarer Republik, als die Politik in allen drei Hansestädten in die Hände der SPD überging, in Bremen und Hamburg Universitäten gegründet wurden - an letzterer amtierte Ernst Cassirer als erster jüdischer Rektor in Deutschland -, die Hamburger Kammerspiele ins Leben gerufen wurden, an denen Gründgens, Erika und Klaus Mann sowie Pamela Wedekind auftraten, unter den bildenden Künstlern eine Hamburger Secession sich etablierte, entstand ein reiches kulturelles Leben, das sich durch Unkonventionalität und Frische auszeichnete. Die Hamburger Kaufleute hatten damit wenig Berührung.

In einem der engagiertesten Kapitel des Buches geht Matthias Wegner dem Versagen des hanseatischen Patriziats in der Nazizeit nach. Er entkräftet den Mythos der hanseatischen Eliten, sie seien dem Hitlerismus kaum erlegen und hätten stets kühle Distanz gewahrt. Wegner zitiert Untersuchungen, die nachweisen, daß Hamburger Kaufleute seit 1930 „in norddeutschen Elitezirkeln der NS-Bewegung als Vordenker und finanzielle Mentoren gewirkt“ haben. Hitler köderte die hanseatischen Unternehmer in Hamburg, Bremen und Lübeck mit Rüstungsaufträgen. Die jüdischen Kaufleute wurden unter Androhung von KZ zum Verkauf ihrer Firmen und Immobilien gezwungen. Im Einklang von Behörden und Erwerbern fand eine brutale „Arisierung“ statt. (Später profitierten Hamburger Firmen und Juristen auch von der „Arisierung“ in Böhmen, Mähren und dem Generalgouvernement Warschau.) Hitler, der Hamburg öfter als die meisten anderen deutschen Städte besuchte, plante die bauliche Umgestaltung der Stadt als europäische Welthandelsmetropole und „arisches Manhattan“. Matthias Wegner konstatiert den „Bankrott der alten ,hanseatischen Ideale‘ von Respekt und Anstand unter Handelsherren“ im Dritten Reich. Die Eliten waren käuflich, ohne dies als Schuld wahrzunehmen. Der Autor kann sich der bitteren Erkenntnis nicht entziehen: „Das Versagen des (Groß-)Bürgertums und der wirtschaftlichen Machteliten hat ja in ganz Deutschland ein breites Fundament, auf dem sich der nationalsozia-listische Furor weitgehend ungehemmt seinen Weg bahnen konnte.“ Den Widerstand gegen den Nationalsozialismus leisteten in Hamburg vor allem Arbeiter und Kleinbürger.

Das vorliegende Buch ist - wie man aus dieser unvollständigen Zusammenfassung ersieht- ein Kompendium an Wissen. Es enthält Streifzüge durch Politik-, Wirtschafts-, Kultur-, Bau- und Alltagsgeschichte der drei Städte wie durch die Familiengeschichten ihrer wichtigsten Geschlechter. Der Verfasser versucht, die Entwicklung der drei Städte jeweils parallel darzustellen, wobei ihm seine Kenntnisse der schönen Literatur oft zur Illustrierung des Gemeinten dienen. So, wenn er Thomas oder Heinrich Mann, Hans Henny Jahnn oder Willi Bredel, Klopstock, Brokes oder Hagedorn, Geibel oder Richard Dehmel zitiert. Er hat eine Fülle an Namen und Material zusammengetragen. Allein das Literaturverzeichnis ist wertvoll. Hin und wieder verliert man bei der Lektüre etwas den Überblick, scheint mir die Stringenz der Kapitel nicht ganz durchgehalten. Auch der Umgang des Autors mit seinen Quellen gerät manchmal mehr zur Addition als zur Synthese. Doch ungeachtet dieser kleinen Beanstandungen ist die Lektüre ein großer geistiger Gewinn, zumal die Geschichte des Bürger- und Großbürgertums - wenigstens für einen Ostdeutschen - trotz seines späteren Versagens den Glanz des Exotischen und vergangener Größe hat. Für den Kenner und Liebhaber der drei Hansestädte ist das Buch ein „Muß“. Er wird künftig Lübecks Backsteinkirchen, Bremens Kunstmuseen und den calvinistisch zurückhaltenden Charakter seiner Bürgerhäuser oder die Hamburger Alsterarkaden und die Villen an der Elbchaussee mit neuen, „wissenden“ Augen sehen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 06+07/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

zurück zur vorherigen Seite