Eine Rezension von Dorothea Körner


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Man staunt, aber bleibt ganz kalt

 

Johannes Mittenzwei: Der Maler und der Dichter
Eine fiktive Begegnung von Adolf Menzel und Theodor Fontane

verlag am park, Berlin 1998, 264 S.

 

 

Fontane, Berlin 15. April 80
„Über Menzels Brief habe ich mich sehr gefreut. Alles freundlich wohlwollend, einfach, menschlich und in lapidarer Kürze.“

Emilie, Berlin. d. 26. Juni. 83
„Gestern gegen Abend überwand ich endlich meinen Groll gegen Frau Krigar (Menzels Schwester, D. K.) u. ging ein Stündchen zu ihr. Es war wieder trostlos! Der kleine Berühmte war erst einige Minuten anwesend, läßt Dich grüßen, da ging es noch. Aber kaum war er verschwunden, brach der Sturm los, gegen ihre Kinder, hauptsächlich gegen den armen Otto [...].“

Fontane, Thale a. H. 27. Juni 83
„Krigar’s trostlos! In solcher Atmosphäre lebt nun tagaus tagein eine europäische Berühmtheit. Er muß schließlich nicht allzusehr darunter leiden, sonst könnt’ er’s nicht aushalten.“

Emilie, Berlin. d. 11. Juni 84
„Gestern waren wir auch vor Menzel’s Bilde (Die Piazza d’Erbe in Verona, D. K.), es wirkt erst wie ein Sammelsurium u. macht auf mich als Ganzes gar keinen Eindruck. Verzeih, auch darin Deiner Produktion etwas ähnlich. Aber die Details, die kostbaren, interessanten Details, ich konnte mich garnicht losreißen u. wünschte ich könnte tagelang eine Stunde es studieren u. mich an jeder neuen Entdeckung eines Zuges, einer Person erfreuen; es erfüllt mich wie Ehrfurcht, vor diesem Fleiß.“

Fontane, Thale 12. Juni 84
„Dem was Du über Menzel sagst, stimm ich in Lob wie Tadel bei. Daß ich persönlich etwas schlecht dabei wegkomme, schadet nicht viel; man muß nur das Bewußtsein haben, sein Bestes getan zu haben, das andre ist gleichgültig.“

Fontane, Thale a/H 23. Juni 84
„Ich habe Scherenberg corrigiert und lege einen Fragezettel (nach Details für den Scherenberg-Aufsatz, D. K.) für Menzel bez. für Fr. Krigar bei. Es ist mir lieber, sie beantwortet die Fragen, auch wenn die Beantwortung unvollkommen und selbst uncorrekt ist; er, bei allem Respekt vor ihm, ist mir unerträglich feierlich in solchen Sachen, überhaupt in allen Sachen in denen er mitspielt. Und darin ist er doch ,man ganz kleene‘. Die Besprechung über seine Piazza d’Erbe in der ,Gegenwart‘ scheint mir sehr gut. Ich glaube doch, diese Art von Malerei ist ein Irrweg, günstigenfalls eine Curiosität. Du siehst, es will doch keiner auf den Zopf anbeißen; unzweifelhaft ist auch diese Leistung wieder, wie alles was dieser Mann und Künstler schafft (Genius ist mir zuviel) bewundernswerth, aber erfreulich oder gar entzückend ist es sicherlich nicht. Man staunt, aber bleibt ganz kalt.“

Diese Auszüge aus dem Briefwechsel zwischen Fontane und seiner Frau Emilie geben den Originalton wieder, in dem sich die Fontanes über Menzel und dessen Schwester unterhielten. Beide Familien waren seit Jahrzehnten freundschaftlich miteinander verbunden. Fontane und Menzel gehörten dem „Tunnel über der Spree“, seit 1852 dem „Rütli“ an, einem literarisch-geselligen Kreis von Berliner Intellektuellen, der sich mit großer Regelmäßigkeit an jedem Sonnabend traf.

Johannes Mittenzwei schildert nun in seinem Buch einen fiktiven Besuch Fontanes bei Menzel zwei Tage nach dessen 80. Geburtstag 1895. Den geistvollen Plauderton Fontanes wird man hier vergeblich suchen, die kunstkritischen Gespräche der „Rütli“-Sitzungen wohl ebenfalls. In langatmigen Dialogen werden Fontane ästhetische und kunsthistorische Urteile in den Mund gelegt. Etwa: „Seit Lessings ,Laokoon‘-Schrift wissen wir ja um die Grenzen der beiden Schwesternkünste: Körper sind die eigentlichen Gegenstände der Malerei, dagegen Handlungen, ständige Bewegung in zeitlicher Abfolge die der Dichtung. So gesehen, bewundere ich Ihre nachtwandlerische Sicherheit, mit der es Ihnen gelungen ist, dieser Einsicht bis zur Spitze des Erlaubten zu entsprechen und mit einer schon artistisch zu nennenden Bravourleistung eine Wirkung zu erzielen, die den ästhetischen Genuß in keiner Weise mindert, da ein mögliches Zuviel an illustrativ-erzählerischen Zügen letzten Endes vermieden worden ist.“ - Ähnlich kurzweilig setzt sich das Gespräch fort, unterbrochen durch ein Nickerchen Menzels und die Butterbrote der Frau Krigar, deren Gegenwart Fontane „inspiriert“. Exekutiert werden neben dem gesamten Oeuvre Menzels auch die künstlerischen Bestrebungen der Zeit und deren Wurzeln: Raabe, Courbet und die Impressionisten, Blechen, Leibl, Thoma, Klinger und Böcklin, Wagner, Brahms und Bruckner. „Fontane genoß es in vollen Zügen, das ihn geradezu schon peinigende Bedürfnis nach einer umfassenden Aussprache endlich einmal und obendrein auf einem so hohen Niveau befriedigen zu können.“ - Über das „hohe Niveau“ mag der Leser selbst befinden. Von der „inneren Wahrheit“ dieser Begegnung konnte mich das Buch nicht überzeugen. Einem Verfasser fiktiver Szenen sollten die Gestaltung lebendiger Figuren und etwas Dramaturgie nicht völlig abgehen. Im übrigen ziehe ich es vor, eine gute Menzel-Monographie zu lesen oder mit dessen Werken direkt Zwiesprache zu halten. Persönlichkeiten wie Fontane oder Menzel eignen sich eben nicht zum Sprachrohr mittelmäßiger Gelehrsamkeit.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 06+07/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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