Eine Rezension von Manfred Lemaire


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Tweed besiegt das Reich des Bösen

 

Colin Forbes: Der Schwarze Orden
Roman. Aus dem Englischen von Sepp Leeb.

Wilhelm Heyne Verlag, München 2000, 479 S.

 

 

In diesem neuen Buch von Colin Forbes ist der Schwarze Orden nicht die SS, die verschiedentlich - eher aufwertend - mit diesem Namen charakterisiert wird. Hier handelt es sich um die Abgesandten eines islamischen Staates, der nur vage konturiert ist, im Nahen Osten, „weit hinter dem Euphrat“, und wenn „hinter“ soviel wie östlich bedeuten soll, hätten wir da nur noch den Iran. Aber solche Romane werden wohl kaum mit der Landkarte im Hinterkopf gelesen. Forbes braucht dieses ungenaue Reich des Bösen eigentlich nur als bedrohlichen Hintergrund: Die Gefahr für die freie Welt verkörpert nicht mehr die inzwischen aufgelöste Sowjetunion, sondern eine kreuzgefährliche Diktatur, die den Angriff auf Europa einstweilen in der Wüste mit Panzern und Giftgasgranaten probt. Zehn Kamele liegen schon tot im Sand.

Im Vordergrund der Handlung begegnen wir einem Sohn des verbrecherischen Präsidenten. Söhnchen ist mit einer Mannschaft von Killern nach Europa infiltriert, um erst einmal sämtliches Trinkwasser in England, Deutschland und Frankreich zu vergiften, damit die Panzer Allahs dann leichtes Spiel haben. Dazu kommt es natürlich nicht. Immerhin werden, gewissermaßen als Entree, die Elite-Denker Europas dezimiert, und zwar von einer speziellen Mördertruppe, die aus drei Edelnutten besteht. Sie tragen nach vollbrachtem Kopfschuß nach Möglichkeit ein langes schwarzes Gewand, das der Bekleidung moslemischer Frauen nachempfunden ist. Drei schwarze Ordensschwestern, die nur ans Geld glauben. Überhaupt gibt es in der ganzen Mannschaft keine richtigen Moslems, selbst das Präsidentensöhnchen verzichtet auf die vorgeschriebenen Gebete. Ob dies aus Tarnungsgründen geschieht, verrät uns der Autor nicht.

Der schärfste Denker aber entgeht allen Anschlägen. Er heißt Tweed, nicht James Tweed, sondern ohne Vornamen einfach Tweed wie der vorzügliche englische Stoff und der Fluß in Südschottland. Dieser Gentleman im Dienst des Geheimdienstes Ihrer Majestät hat ebenfalls eine Truppe um sich versammelt, selbstverständlich zahlenmäßig kleiner als der Schwarze Orden, aber viel effizienter, wie es sich für edle Europäer gehört. Mittels dieser selbstlosen Kämpfer, unter ihnen eine blitzschnell schießende Paradefrau, sowie diverser Verbündeter gelingt es dem famosen Tweed, das Reich des Bösen zu besiegen. Die Abgesandten des islamischen Präsidenten werden sämtlich aus dem Verkehr gezogen, die meisten mit Pulver und Blei, während der böse Diktator einem Staatsstreich seiner Generäle weichen muß. Diese nämlich erschrecken sich vor dem präventiven Aufmarsch der 7. US-Flotte und einem britischen U-Boot, das eine Übungsrakete abfeuert. Die Invasion Europas durch die nahostasiatischen Horden wird verhindert. Dank sei Tweed, der seine Mühe hatte, die geistig unterbelichteten Mächtigen der westlichen Welt zu abschreckendem Handeln zu bewegen.

Gießt man diesen Roman durchs Sieb, bleibt bestenfalls eine halbwegs spannende Story für anspruchslose Leser, will sagen für Leser, die nur den Anspruch erheben, mit einer frei erfundenen haarsträubenden Geschichte unterhalten zu werden, wie primitiv sie auch sei. Wahrscheinlichkeits gehalt und ideologischer Standort interessieren nicht. Merke: Der Islam, wie Colin Forbes ihn erstanden wissen will, ist schon immer eine Bedrohung der christlichen Welt gewesen, während die Christenmenschen nie Kreuzritter und Kolonialherren waren.

Forbes macht nicht den geringsten Versuch, die Leser mit einem Minimum an historischen Kenntnissen zu versehen, sondern richtet einen Krautsalat aus Fuktionen und Hypothesen an. Das Buch bedient die gruslige Vorstellung, eine geheimnisvolle Macht könnte sich die Vorherrschaft über die westliche Welt sichern wollen. Diese Ausgangsposition, die wir auch in anderen Büchern des Genres finden, hat Forbes bereits in dem nicht ganz so unbedarften Roman Die unsichtbare Flotte strapaziert.

Die Bedrohung aus dem Osten als politische Utopie ist spätestens seit Hans Dominik (1872-1945) ein Standardthema zweitklassiger Schriftsteller (womit nichts gegen Dominiks technische Utopien gesagt sei). Leider gehört auch die Standardausstattung solcher Schriftsteller zum literarischen Arsenal von Colin Forbes: Man bewegt sich ständig in der Welt der feinen Leute, wie schlichte Gemüter sie präsentiert haben möchten. Das hat bei Johannes Mario Simmel noch einen gewissen österreichischen Charme, manchmal auch ironische Akzente. Bei Forbes ist es aufgeklebtes Etikett, penetrant zu lesen, weil einfallslose Wiederholung. Man steigt nur in den angeblich renommiertesten Hotels wie Sacher in Wien und Baur au Lac in Genf ab, übergibt dem Personal dort seine von Louis Vuitton gefertigten Koffer, trägt Slipper von Ferragamo und leichte Anzüge aus der Londoner Savile Row. So hat ein Schriftsteller nicht nur eine unterhaltende, sondern auch eine geschmacksbildende Funktion und Anspruch, der Werbebranche zugerechnet zu werden. Zu unserem Bedauern erfahren wir nicht, welchen Herrenschneider Mister Tweed bevorzugt, wo er seine Hemden fertigen läßt und welche Spirituosenmarken er besonders goutiert.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 06+07/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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