Eine Rezension von Bernd Heimberger


Schöne Soße

R. W. B. McCormack: Mitten in Berlin
Feldstudien in der Hauptstadt.

C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 2000, 198 S.

 

Alles Quatsch mit Soße! Von wegen: Goethe fünf Tage in Tegel. Stunden waren es. Sozusagen ein Mittagessen bei den Humboldts. Und doch ein Höhepunkt Goethescher Berlin-Tage. Geographisch gesehen kam der Wortmeister nicht nördlicher hinaus in die Welt. Quatsch mit Soße, daß Liebermann, Max, der „Übervater der Berliner Kunst“ war. Und Menzel, Adolph? Auch, daß das Kabarett um 1900 in der Stadt ankam, daß die Wilhelmstraße wirklich zur Toleranzstraße wurde, daß S-Bahnhöfe tatsächlich „Charme verströmen“ ... ’ne Menge Quatsch mit Soße, die der amerikanische Stadt-Streifer R. W. B. McCormack in seinem Berlin-Buch Mitten in Berlin serviert. Das Angehörte, Angelesene, Angesehene, An-Gerüchtete, Angerichtet-Aufgetischte stehenlassen und sich schleunigst davonmachen? Man wäre nicht nur angeschmiert. Man würde sich glatt selbst betrügen. Der Amerikaner, der über Berlin kam, nimmt die ganze gestrige, heutige, morgige Meute der Lokalpatrioten, die die Stadt machten, machen und machen werden, so ernst, daß er sich krumm und scheckig lacht. Er hat sich einen riesigen Turm aus Tages-Zeitungs-Texten hingegangener Tage gebaut, um einen tiefen Blick in alle Berliner Ritzen zu bekommen. McCormacks fixe und feixende Exkurse und Elaborate zur Geschichte, Sprache, Wirtschaft und zum Verkehr jeglicher Art in der Stadt - sowie noch viel mehr - sind süffige Trostspender. Mit jeder Seite wächst die Gewißheit, daß die alte neue Hauptstadt nie dazu verdonnert werden kann, das Spreewasser gegen Rheinwasser auszutauschen. Berlin bleibt Berlin, weil Berlin nie bleibt, wie Berlin ist. Kapiert? Ein bißchen mehr als Eck-Kneipen-Stammtisch-Grips braucht man schon, um das burschikos heranstürmende Berlin-Bildungs-Buch des Studien- und Stunden-Berliners R. W. B. McCormack zu begreifen. Muß man dit Männeken jleich ans Been pinkeln, weil man den Knilch niemals beim Wort jedes Wortes nehm’ kann? Verpißt euch, Meckerer!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 05/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.luise-berlin.de

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