Eine Rezension von Helmut E. Günter


Weltläufige Krimis mit Lokalkolorit

Kurt Lanthaler: Der Tote im Fels
Ein Tschonnie-Tschenett-Roman.
Diogenes Verlag, Zürich 1999, 300 S.

Alfred Komarek: Polt muß weinen
Roman.
Diogenes Verlag, Zürich 2000, 190 S.

 

Die Zeiten, als Krimiautoren sich wünschten, in einem besonderen Verlag in Deutschland zu erscheinen, sind längst vorbei. Von ein paar kleinen Verlagen abgesehen, bleibt ihnen, wie den Kollegen von der hohen Literatur, nur die Wahl - wenn es denn überhaupt eine gibt - zwischen Holtzbrinck, Bertelsmann und Springer.

Im Zürcher Diogenes Verlag zu erscheinen mag deshalb der Traum jedes Krimiautors sein, in Gemeinschaft mit Ingrid Noll, Patricia Highsmith und Donna Leon oder in enger Nachbarschaft mit Bernhard Schlink, der ja auch mal mit Krimis begonnen hat. Kurt Lanthaler, zeitweise in Berlin lebender Südtiroler, und der Österreicher Alfred Komarek, Glauser-Preisträger 1999, haben es geschafft. Verdientermaßen. Diogenes hat ihre ursprünglich im Innsbrucker Haymon-Verlag erschienenen Krimis in die Taschenbuchreihe übernommen, deren Ausstattung gegenüber anderen Büchern des Genres noch immer als „edel“ gelten muß.

Lanthaler, der auch als Übersetzer aus dem Italienischen bekannt ist, hat mit Der Tote im Fels nach Ansicht seiner Landsleute „einen virtuos geschriebenen Cocktail aus Kriminalgeschichte, Heimatroman und Gesellschaftsstück“ vorgelegt - dem ist wenig hinzuzufügen. Wer das Schweden der sechziger Jahre kennenlernen wollte, griff zu Sjöwall/Wahlöö - wer etwas über das heutige Südtirol erfahren will, hat mit dem Anti-Helden Tschonnie Tschenett die richtige Wahl getroffen, den Lanthaler bereits in vier Romanen agieren läßt. Diesmal verdient sich Tschenett sein Geld als Lastwagenfahrer und gerät tief in den Strudel ungeahnter Ereignisse, als er die Papiere des beim Tunnelbau gefundenen Toten an sich nimmt und damit allerlei Gefahr auf sich und seine Freunde lädt. Lanthaler trifft die mitunter bedrohliche Atmosphäre hervorragend, seine südtirolerisch-italienisch eingefärbten Dialoge sind doppelbödig, er versteht mit Suspense und einer gehörigen Portion geheimnisvoller Unheimlichkeit umzugehen.

Komareks biederer Gruppeninspektor Simon Polt hingegen hat in Polt muß weinen nur einen bedauerlichen Unfall in einem der Weinkeller seines Heimatdorfs im niederösterreichischen Weinviertel aufzuklären, was ihm ganz allmählich nach allerlei Fährnissen und vielen Gläsern Wein auch gelingt. Natürlich war es in Wahrheit ein lange geplanter Mord, dem das örtliche Scheusal Albert Hahn zum Opfer gefallen ist, und keiner versteht den/die Täter besser als Simon Polt, der direkte Nachfahre des Glauserschen Wachtmeisters Studer. Eine schon verloren geglaubte archaische Welt stößt da mit der modernen Massengesellschaft zusammen, und weder Polt noch seine noch einmal davongekommenen Weinbauern werden auf die Dauer verhindern, daß aus deren alten Presshäusern in Burgheim und Brunndorf eben doch Wochenendhäuser werden.

Die Diogenes-Lektoren und Glauser-Juroren (sämtliche selber Krimi-Autoren) haben mit Lanthaler und Komarek eine gute Wahl getroffen. Auch im Regional-Krimi kann sich die Welt spiegeln.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 05/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite