Eine Rezension von Daniela Ziegler


Royals ganz privat

Wohl oder übel muß ich armes Weibsen dran
Königin-Luise-Anekdoten, gesammelt und aufgeschrieben
von Ingrid Kirschey-Feix.

Eulenspiegel Verlag, Berlin 1999, 142 S.

 

Im Eulenspiegel Verlag ist neben Anekdoten zu Bismarck, Fontane, Friedrich d. Gr., Goethe, Menzel, Liebermann, Sauerbruch, Marx und Wilhelm I. nun auch eines über Luise von Preußen erschienen.

Nach einem Herkunftswörterbuch ist eine Anekdote eine „kurze, witzige, eine historische Persönlichkeit charakterisierende, jedoch nicht verbürgte Geschichte“. Das Wort leitet sich ab vom altgriechischen Verb ekdidomi (ausliefern, preisgeben, um Geld weggeben; unter die Leute bringen, hingeben - im Sinne von: etwas schweren Herzens weggeben, z. B. seine Tochter verheiraten) und bedeutet im Partizip Perfekt (anekdotos) sowohl „nicht verheiratet“ als auch „nicht veröffentlicht“.

Ein Blick hinter die Kulissen also. Tatsachen, die normalerweise nur der Eingeweihte kennt und die uns auf unterhaltsame Weise die Großen menschlich näher bringen soll.

Welches Bild zeichnet uns die Anekdote von der beliebten Luise von Preußen?

Luise Auguste Wilhelmine Amalie wurde als Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz in Hannover geboren. Als 10jährige zog sie nach Darmstadt (was jedoch nicht dazu berechtigt, ihr ein „rheinisch-phälzisches Temperament“ zu bescheinigen, wenn auch die Gegend um Darmstadt landläufig als Westpfalz bezeichnet wird. Auch kein rheinisch-pfälzisches, was immerhin richtig geschrieben wäre). Als Kind „Jungfer Husch“ genannt, ist sie nicht besonders lernfleißig und oft ungezogen, was der Normalbürger sicher nicht ungern hört („Es sind halt auch Menschen ... Wie wir!“). Also bemüht sie sich um Bildung - mit mäßigem Erfolg und wenig Resonanz von seiten des Ehemannes Friedrich Wilhelm, mit dem sie im übrigen eine für gekrönte Häupter erstaunlich glückliche Ehe führt.

Wie sie aus ihrem wohl berühmtesten Porträt von Joseph Grassi (1802), das auch den Umschlag ziert, mit schwellender, zart verhüllter Büste den Betrachter schmelzend anblickt („Mehr Venus als Madonna“), ist sie ganz das nette Frauchen mit allen echt weiblichen Eigenschaften. Dem widerspricht die Legende nicht.

Die Hintergründe sind weniger erheiternd. Die Mutter Luises starb nach 10 Geburten als 30jährige, die Tante und spätere Stiefmutter Luises nach einer Niederkunft als 30jährige und Luise selbst mit 34 Jahren nach ebenfalls 10 Geburten. Ein verhängnisvolles genetisches Erbe also machte sie zu einer Jungvollendeten, die von der Nachwelt gerne mit einer Glorie umgeben werden.

Manche Promis eignen sich besser zur posthumen Legendenbildung als andere. Auf der Hitliste der Royals nehmen neben Luise von Preußen zweifellos Sissi und Lady Di die obersten Plätze ein. Wobei die schöne Sissi Romy Schneider sehr viel verdankt, was der eher muttchenhaften Ruth Leuwerik als Luise von Preußen so nachhaltig nicht gelingen wollte. Apropos Ruth Leuwerik - als Imma Spoelman in der höchst überflüssigen Verfilmung von „Königliche Hoheit“ zweifellos eine Fehlbesetzung, führt sie uns doch zu einem interessanten Thomas-Mannschen Standpunkt:

Er sagt nämlich, daß das Volk sich in seinem Herrscher in erhöhter Ausgabe wiederfinden möchte und daß es sein Wunschbild im Protagonisten Klaus Heinrich wiedererkennt, in dessen Anblick es sich selbst hoch leben läßt. Der Jubel, den das Volk seinem Herrscher spende, gelte eigentlich ihm selbst. Dies sei die Funktion von Hoheit an sich, meint der Autor. Die beim Volk sehr beliebte Luise scheint diesen Standpunkt zu bestätigen.

Das qualitätvoll aufgemachte Büchlein sollte man als das nehmen, was es ist, nämlich als eine nicht repräsentative Anekdotensammlung, die auf Gabentische aller Art paßt. Mit solch einem Mitbringsel kann man mit Sicherheit nichts verkehrt machen, vor allem dann, wenn Großtante Anna auf dem Wohnzimmerschrank bereits die Miniaturausgabe des anmutigen Schadowschen Schwesternpaars aus der Berliner Gipsformerei stehen hat. Denn nicht jeder verbeißt sich gerne in Originalbriefe, auch wenn sie (wie die Briefe der Liselotte von der Pfalz etwa) weitaus aufschlußreicher sind.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 05/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.luise-berlin.de

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