Annotation von Gudrun Schmidt


 

Grote, Alexandra von:
Die unbekannte Dritte
Roman.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 1998, 217S.

Kommissarin Florence Labelle ist in Urlaubsstimmung. Doch statt nach Australien zu jetten, beordert sie ein Dienstauftrag in die Provence. Ein Mord ist aufzuklären. Das Opfer, eine Frau, stammt aus Berlin, und die französischen Kollegen bitten um Amtshilfe. Die gestaltet sich erst einmal schwierig. Kommissar Marbeuf läßt keine Gelegenheit aus, seiner jungen Berliner Kollegin Steine in den Weg zu legen. Ein Unfall zieht Marbeuf vorerst aus dem Verkehr, und Florence erhält ihre große Chance, die Ermittlungen allein zu führen. Dank ihrer französischen Mutter bringt sie hervorragende Sprach- und Landeskenntnisse mit. Der Leser kann sich an schönen Landschaftsimpressionen erfreuen.

Florence macht ihre Sache gut, beweist in dem heiklen Fall Fingerspitzengefühl und Sensibilität. Das Milieu scheint ihr nicht unbekannt zu sein. Die ermordete Berlinerin Monika Terboven lebte in schicken Verhältnissen auf dem Landgut ihrer Geliebten Catherine Volet, einer millionenschweren, ehemals prominenten Schlagersängerin mit familiären Beziehungen in höchste Regierungskreise. Zum Kreis der Verdächtigen gehören die Journalistin Lucienne, die ebenfalls zeitweise auf dem Landgut wohnt. Der arbeitslose Gilbert, der die Ermordete zuletzt gesehen hat, der Ex-Ehemann von Monika Terboven, der unter falschem Namen in dem idyllischen Provence-Städtchen lebt. Sie alle könnten ein Motiv haben: Eifersucht, Rache, Habgier, Vertuschen einer Straftat. Alexandra von Grote spielt souverän mit diesen klassischen Mordmotiven. Immer wieder bringt sie neue Verdachtsmomente auf, werden neue Spuren gelegt. Eine führt sogar nach Berlin, in den Freundeskreis der Kommissarin. Ein weiterer Mord, diesmal trifft es Lucienne, spitzt die Situation zu.

Die Autorin, mit Wohnsitz in Berlin und Frankreich, ist bisher als Filmregisseurin („Weggehen um anzukommen”, „Novembermond”) sowie mit Gedichten, Erzählungen und Drehbüchern bekannt geworden. Film-Erfahrungen scheinen sich auch bei ihrem erfolgreichen Roman-Debüt auszuzahlen. Sie bevorzugt „harte Schnitte”, erzählt die Geschichten auf ihren Höhepunkt zu, bricht abrupt ab, um locker eine neue Fährte aufzunehmen. Das Buch liest sich spannend bis zum Schluß. Die Aufklärung des Falls kommt überraschend, ist aber durchaus plausibel. Alexandra von Grote vermeidet es, sattsam bekannte Klischees zu strapazieren. Es geht um Liebe und Lüge, Karriere und persönliches Glück, gegenseitige Akzeptanz und Toleranz - Lebenskonflikte, die nicht mörderisch gelöst werden müssen. Aber im Krimi schon.



Berliner LeseZeichen, Ausgabe 04/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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