Rezension von Helmut Caspar


Schlüssel zu historischer Erkenntnis

Eckart Henning: Auxilia historica
Beiträge zu den Historischen Hilfswissenschaften und
ihren Wechselbeziehungen.
Böhlau-Verlag, Köln 2000, 382 S.

Innerhalb der Geschichtswissenschaft haben die Historischen Hilfswissenschaften - Chronologie, Diplomatik, Epigraphik, Genealogie, Heraldik, Numismatik, Paläographik, Sphragistik - durch jahrzehntelange Vernachlässigung Schaden genommen, sie führen ein eher „randständiges” Dasein, ihre Vertreter stehen wie Außenseiter nahezu im Abseits, bedauert der Autor, der in Berlin-Dahlem das Archiv der Max-Planck-Gesellschaft leitet und sich durch zahlreiche Veröffentlichungen über ebendiese Themen einen Namen gemacht hat. Es komme darauf an, Abhilfe zu fordern, falls eine Rückkehr zur Interpretation einzelner Texte und Bilder und zu den dafür notwendigen Techniken überhaupt wieder gewollt wird. Hennings in diesem Sammelband veröffentlichte Beiträge unterstreichen, daß die Historischen Hilfswissenschaften mehr als „Nothelfer” sind, die man fallweise nutzt oder auch ignoriert, weil man sie nicht gelernt hat oder ernst nimmt. In seinem Begriffsplädoyer für die Historischen „Hilfs”wissenschaften, erstmals veröffentlicht 1996 im Herold-Jahrbuch und jetzt noch einmal in der Auswahl Auxilia historica nachzulesen, weist Henning auf Defizite bereits bei der Ausbildung künftiger Historiker hin und betont, ohne die Unterstützung dieser erst im 19. Jahrhundert sogenannten Hilfswissenschaften könne man bei der Entschlüsselung vieler Quellen nicht auskommen. Es habe nicht an Versuchen gefehlt, für die von manchen Historikern als irgendwie unscharf, ja sogar suspekt angesehenen Begriffe bessere zu finden, etwa Grundwissenschaften, Nebenwissenschaften oder Hilfsdoktrinen, doch habe dieses Fach solche Nobilitierungsversuche nicht nötig, und im übrigen sei jedes Gebiet gegenüber dem anderen in der Funktion des Helfers.

Nach Beiträgen über die Pflege der Historischen Hilfswissenschaften in Berlin seit dem 18. Jahrhundert, die Entstehung der Aktenkunde und das, was man aus Titulaturen mit ihren Hinweisen auf wirkliche oder angemaßte Besitzstände herauslesen kann, werden in dem Buch Aspekte der Genealogie, Heraldik und Sphragistik behandelt, um schließlich im fünften und letzten Teil des Buches auf den „Begriff der Medaille und den Stand ihrer Fachbibliographie” sowie ihre Leistungen als Hilfswissenschaft der Genealogie und schließlich numismatisch-heraldische Wechselbeziehungen einzugehen. Gedanken zu dieser Thematik kennen wir bereits aus der Einleitung zur Bibliographie zur Medaillenkunde, die Petra Haucke und Eckart Henning 1993 veröffentlicht hatten, einem gigantischen Nachschlagewerk zu allem, was im deutschsprachigen Schrifttum seit der Barockzeit dazu veröffentlicht wurde. Da immer wieder die Begriffe Münze und Medaille durcheinandergebracht werden, lohnt sich die Lektüre dieser Begriffsbestimmung. Im übrigen kann man auch diesen Rat dem Buch entnehmen: Numismatiker und andere „Hilfswissenschaftler” sollten aus der Abgeschlossenheit heraustreten und die Möglichkeiten verwandter Disziplinen nutzen. Hennings Buch vermittelt dafür tiefsinnige Anregungen und handfestes Wissen für die Praxis.



Berliner LeseZeichen, Ausgabe 04/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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