Rezension von Helmut Caspar


 

Sachbuch


Blüten und Früchte auf antiken Münzen

Hellmut Baumann:
Pflanzenbilder auf griechischen Münzen
Hirmer Verlag, München 2000, 79 S.

Hochtalentierte Stempelschneider mit guter Beobachtungsgabe und Liebe zum Detail haben Menschenbildnisse, Bauwerke, Tiere und Pflanzen auf unnachahmliche Weise ins enge Rund antiker Münzen gebannt. Eine faszinierende Welt tut sich dem Betrachter auf, wenn er diese Stücke betrachtet und sie befragt. Johann Wolfgang von Goethe, selber Sammler und Kenner von Münzen und Medaillen, beschrieb seine Empfindungen beim Anblick einer solchen Sammlung in der „Italienischen Reise” so: „Aus diesen Schubkasten lacht uns ein unendlicher Frühling von Blüten und Früchten der Kunst, eines in höherem Sinne geführten Lebensgewerbes und was nicht alles noch mehr hervor. Der Glanz der sicilischen Städte, jetzt verdunkelt, glänzt aus diesen geformten Metallen wieder frisch entgegen.” Hellmut Baumann analysiert, womit die alten Griechen ihre Münzen verzierten, und schildert im Anschluß an sein schon in vierter Auflage ebenfalls im Hirmer Verlag veröffentlichtes Buch Die griechische Pflanzenwelt, was Pflanzen, Blätter, Bäume und Früchte auf Münzen zu bedeuten haben. Er wolle keine numismatische Studie vorlegen, räumt der Verfasser ein, sondern vielmehr die geschichtlichen Einflüsse aufzeigen, die vor über 2000 Jahren zur Wahl von Pflanzenbildern als Münzsymbole geführt haben. Wie in dem Buch auch anhand hervorragend gelungener Fotos nach Originalen und Gipsabformungen der reichhaltigen Münzsammlung in Winterthur unterstrichen wird, fungierten Pflanzen unter anderem als redende Wappen und spielten so auf die Namen von Prägestätten an oder waren Attribute von Göttern. Nicht zuletzt betonten sie auch Wohlstand und Nahrungsmittelreichtum einer bestimmten Region.

Der Autor kann sich bei seinen Darlegungen auf den Winterthurer Numismatiker und Sammler Friedrich Imhoof-Blumer und seinen Koautor Otto Keller stützen, die schon 1889 das Thema behandelt haben, hinzu kommen neuere Forschungen, die in der Bibliographie aufgeführt werden. Deutlich wird, daß sich die Stempelschneider um realistische Wiedergabe der Pflanzen mühten, so daß es möglich ist, die auf den oft winzigen Geldstücken dargestellten Gewächse von der Anemone über die Dattelpalme und den Efeu bis zum Mohn, Lorbeer, Weintrauben und Zypressen sehr gut zu identifizieren. Zum Vergleich werden den vergrößert, leider ohne Angabe der authentischen Maße abgebildeten Münzen Fotografien der entsprechenden Pflanzen gegenübergestellt. Der Autor schildert nicht nur, was auf den Münzen zu sehen ist und wo diese Stücke geprägt wurden und in Umlauf waren, sondern legt auch dar, welche Rolle die jeweilige Pflanze im Leben der Griechen, in ihren Kulten spielte, was Nutz- und was Heilpflanze war, wie man Blüten und Blätter als Schmuck verwendete. Gelegentlich wird aus der Mythologie zitiert, so bei der Vorstellung einer Drachme aus Elyros (Kreta) mit einer Ziege, die von einem Strauch frißt. Angeblich soll das von giftigen Pfeilen getroffene Tier von dem wundersamen Heilkraut Diktamus gesundet sein. Die auf Münzen dokumentierte Verehrung von Eichen und ihren Früchten wird aus den Beziehungen zwischen Zeus und seinen Symboltieren Adler und Stier abgeleitet, und der immergrüne Lorbeer um das Haupt des Licht- und Sonnengottes Apollon hat mit seinem Leben und Abenteuern zu tun, denn der Held reinigte sich nach der Tötung des delphischen Drachens Python mit einem Lorbeerzweig und zog, mit Lorbeerblättern geschmückt, in Delphi ein und gründete hier das Orakel.

Nicht alle auf griechischen Münzen im Zusammenhang mit Götterbildern, Tieren, Kultobjekten oder auch Alltagsgegenständen abgebildeten Pflanzen existieren heute noch, so zeigt das Buch auch das auf Münzen von Kyrene dargestellte Doldengewächs Siliphon, dessen Wurzeln einen heilsamen Saft hergaben. Die Identität dieser auch als Droge verwendeten Pflanze, deren Verkauf der Stadt zu Wohlstand verhalf, gibt Rätsel auf, wie Baumann schreibt. Sie zu lösen hätten sich bereits unzählige Gelehrte erfolglos bemüht.



Berliner LeseZeichen, Ausgabe 04/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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