Annotation von Sven Sagé


Gage, John:
Die Sprache der Farben
Bedeutungswandel der Farbe in der bildenden Kunst.

Ravensburger Buchverlag, Ravensburg 1999, 320 S.

Im Grunde genommen möchte man das als Humbug zurückweisen, wenn von der „Sprache der Farben“ gesprochen wird. Genau das tut aber der englische Kunstwissenschaftler John Gage, von dem die reifste „Kulturgeschichte der Farbe“ stammt. Der Autor kennt, wie er sagt, „die zahlreichen Hindernisse ..., die sich einer umfassenden Betrachtung der Farbe in den Weg stellen“. Es reizt Gage, die Hindernisse zu nennen, sie zu überwinden, um erklären zu können, weshalb Farbe als Farbe nicht nur Farbe ist. Er greift auf, was - von Goethe bis Umberto Eco - zum Thema Farbe formuliert wurde. Das gesamte Spektrum möglicher Farbempfindungen, versichert der Wissenschaft-ler, hat noch keinen adäquaten sprachlichen Ausdruck. Wenn, dann ist den Menschen das Lichtspektrum geläufig, das sie vom Regenbogen her kennen. Für die Wissenschaft ist die Farbenvielfalt „heute eine rein mathematische Angelegenheit“. Als Kultur- und Kunstwissenschaftler weist Gage abermals mit „großem Nachdruck auf die Unbeständigkeit von Farbempfindungen“ hin. Das bedeutet, über die unterschiedlichen Benennungen, Bewertungen, Bedeutungen der Farben in verschiedenen Kulturen zu reden. Auch darüber, welche Rolle die Sprache für die Farbe, die Farbe für die Sprache spielt. Es ist wahrlich nicht einfach, allen Gedankenkurven des Professors zu folgen, zumal auch noch Aspekte der „Tonwerte“ der Farben ins Gespräch kommen und festgestellt wird, daß „Farbsehstörungen bei Frauen eher selten sind“. Das heißt, daß Frauen im „Umgang mit Farben differenzierter seien als Männer“. Haben Frauen auch die zutreffendere Sprache für Farben? Keine Antwort! Wer sich von dem klugen Buch des gescheiten John Gage Hilfe erwartet, den können die genüßlich vorgetragenen rhetorisch-theoretischen Darlegungen schnell hilflos machen. Verständlich ist John Gage, wenn er Überliefertes rekapituliert, zum Beispiel Goethes Farbenlehre, die die Meister der Farbe animierte, ihre Farbsprache zu erweitern. Was auch abhängig davon war, in welcher Weltsprache sie zu Hause waren. Desto unterschiedlicher die Sprache, desto unterschiedlicher die Farbe der Wörter. Worüber noch mehr in dem schwierig-schönen Buch gesagt wird und was am ehesten zu begreifen ist.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.luise-berlin.de

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