Annotation von Horst Wagner
Bahrmann, Hannes/Links, Christoph:
Chronik der Wende
Die Ereignisse in der DDR zwischen 7. Oktober 1989
und 18. März 1990.
Ch. Links Verlag, Berlin 1999, 298 S.
Chroniken der Wende gab es im verflossenen Jahr viele - in Zeitungen und
Nachrichtenmagazinen und auch in Büchern, die vom Berliner
LeseZeichen rezensiert wurden. Nachzutragen bleibt
die in Zusammenarbeit mit dem ostdeutschen Rundfunk Brandenburg als Begleitbuch zur
gleichnamigen ARD-Fernsehdokumentation herausgekommene
Chronik der Wende von Bahrmann und Links. Zusammen mit der Bildchronik der Wende ist sie pünktlich zum
10. Jahrestag des Ch. Links Verlages erschienen,
der - am 10. Dezember 1989 gegründet - selbst
ein Kind jener Ereignisse ist, welche die meisten Wende, andere Implosion der DDR und wieder andere eine abgebrochene demokratische
Revolution nennen. Der Titel stellt sich als
überarbeitete Neuauflage der seinerzeit zu
Verkaufsschlagern gewordenen Chronik der
Wende von 1994 und Chronik der Wende 2 (1995)
heraus. Besonderheit der Chronik, die sie von
anderen Wendebüchern unterscheidet: Sie zeichnet
die Geschehnisse Tag für Tag nach, ohne sie in
Abschnitte zu untergliedern oder Höhe- bzw.
Wendepunkte hervorzuheben, was - da auch ein
Inhaltsverzeichnis fehlt - dem Benutzer das
Auffinden einzelner Ereignisse nicht gerade erleichtert.
Die Autoren, beide Ossis, Journalist der eine,
Verleger und Publizist der andere, verzichten
zudem auf eine Interpretation oder Kommentierung
aus heutiger Sicht. Sie zeigen die Agierenden in
ihren damaligen Handlungen, Vorstellungen und
Ängsten. Das hat den Vorteil der Authentizität,
macht es aber den Autoren andererseits kaum
möglich, was der im Klappentext zitierte Spiegel von
der Chronik erwartet: nämlich zu
rekonstruieren, was genau zum Sturz des Honecker-Regimes
geführt hat. Diese Schwierigkeit hängt sicher
auch mit dem gewählten Zeitabschnitt zusammen. So sehr man den 18. März 1990, den Tag der
ersten (und letzten) freien Volkskammerwahl, als
Endpunkt akzeptieren kann (wurden doch damit die Weichen endgültig auf D-Mark und Beitritt
gestellt), so möchte man doch Zweifel anmelden,
was den 40. DDR-Jahrestag als Beginn der Wende betrifft. Begann sie nicht schon Wochen oder
Monate vorher? Spätestens doch wohl mit der
Massenflucht im Sommer 1989 und der ersten
Leipziger Montags-Demonstration vom 4. September.
Auch können die Ursachen für Implosion und Sturz
des SED-Regimes natürlich nicht allein aus den
Tagesereignissen abgeleitet werden. Trotz solcher Bedenken: Die Chronik erweist sich als
solide Dokumentation eines dramatischen
Höhepunktes deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert
und gerade durch die fortlaufende Darstellung der
Ereignisse - auch auf scheinbaren Nebenplätzen
- als ein sicher noch lange nützliches
Nachschlagewerk nicht nur für den Zeithistoriker. Mit
ihren zahlreichen Fotos ist sie zugleich auch eine
kleine Bildchronik des damaligen Geschehens.