Annotation von Alfred Büngen


 

Grundmann, Siegfried:
Heiße Spur auf kaltem Eis
Klaus Bielefeld Verlag, Friedland/Göttingen 1999, 125S.
 

Siegfried Grundmann - wer denkt da nicht an den Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, an die Vielzahl der Reportagen, Satiren und Erzählungen in den Werkkreis-Anthologien u. a. auch beim Fischer-Verlag.

Und nun ein ganz anderes Genre. Ein Kriminalroman in Davos, eine Idee, die er - wie er mir mitteilte - schon lange Jahre mit sich herumgetragen hat, kennt er den Ort und die Skipisten doch aus eigenen Urlaubsaktivitäten. Doch Kriminalroman ist eigentlich der falsche Ausdruck für Grundmanns neues Buch. Der Held seiner Geschichte, der Computerspezialist Fred Langhammer, gerät zufällig in das Geschehen, wird von der Hoteldirektion für einen Privatdetektiv gehalten. Kostenlosen Urlaub verspricht der Hoteldirektor ihm, wenn er zumindest durch den Anschein von Aufklärung ein wenig für Beruhigung der Gäste im Hotel sorgt, in dem der vorgebliche Diebstahl des Schmucks einer Dame für Unruhe sorgt. Ein solches Angebot kann unser Romanheld natürlich nicht abschlagen, zumal auch seine mit den Kindern in München wohnende Frau, die gelegentlich per Telefonat in die Handlung eingreift, ihn dazu überredet, das Angebot anzunehmen.

Ohne zuviel zu verraten, das kriminalistische Geschehen entwickelt sich unkomplizierter als angenommen, das große Verbrechen spielt sich abseits der Romanhandlung ab. Der Hoteldirektor, der Fred Langhammer das Detektivangebot unterbreitete, wird in Mailand wegen des Verdachts der Geldwäsche für die Mafia verhaftet. In Davos geht es hingegen in der Zwischenzeit sehr viel menschlicher zu.

Vielleicht ist dies der präzise Ausdruck für das Buch. Es ist eine wundervoll menschliche Geschichte von Irrtümern, menschlichen Stärken und Schwächen, von den Schönheiten eines Winterortes, einschließlich wunderschöner Landschaften, Skipisten und der üblichen Feste, aber auch der Lawinenkatastrophen. Menschlich erscheint das Buch, da es der Autor schafft, die üblichen Klischees eines solchen Ortes und der dort anzutreffenden Menschen zu vermeiden. Liebevoll zeichnet er auch die Nebenfiguren, schildert Naturschönheiten ohne Kitsch oder Oberflächlichkeit. Natürlich gibt es auch eine Beziehungsgeschichte, die unseren Helden noch alltäglicher erscheinen läßt, als er ohnehin schon ist. Doch es gibt auch den Hausmeister, der in seinem Fremdenhaß versucht, die ausländische Mitarbeiterin zu denunzieren. Die Menschen erinnern sich der Kriegsverletzungen ihrer Väter und der Ablehnung der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Und da ist der Artikel über aktuelle Fremdenfeindlichkeit in der Zeitung. Bei Grundmann ist die Welt in Davos keine, die sich von der Alltagswirklichkeit der übrigen Welt unterscheidet. So geraten seine Figuren realistisch, das Handlungsgeschehen, bei aller zum Teil sehr überraschenden Konstruktion, erscheint einfach möglich, selbst der etwas pervers veranlagte Student, der zur Aushilfe an der Rezeption arbeitet, wirkt weitgehend glaubwürdigt. Der Leser erkennt die Welt wieder, die Menschen, auch wenn er noch nie in Davos weilte. Schließlich ist unser Detektiv auch kein Meister des Skilaufs, holt sich eine heftige Prellung, als er wenig heldisch einen Sturz bei einer Skiabfahrt erleidet. Er stellt einen Detektiv dar - einschließlich des unfachmännischen Pfeiferauchens -, wie wir ihn womöglich selber spielen könnten. Mit viel Fingerspitzengefühl arbeitet Grundmann auch literarisches Ambiente ein. Thomas Manns „Zauberberg” begleitet uns durch das ganze Buch - im übrigen hat der Held des Buches den „Zauberberg” auch nur ungelesen in seinem Bücherregal stehen, aber immerhin den Film gesehen, während der geheimnisvolle, abartige Student über den Roman seine Dissertation schreibt. Auf die Alltäglichkeit seiner Helden verweist Grundmann noch einmal, indem er seine Figuren Rosamunde Pilcher lesen läßt. Und unser Detektiv liest am liebsten Kriminalromane, nach einer kurzen jugendlichen Vorliebe für Hesse.

Ein wirklich „feines” Stück Unterhaltung von Siegfried Grundmann. Keine vordergründig politisch engagierte Literatur, vielmehr ein bis ins letzte sprachliche Detail ausgeformter Roman der kleinen Handlung. Ein Buch, das aufzeigt, wie niveauvoll und politisch gute Unterhaltungsliteratur sein kann, wenn sie ein engagierter Demokrat und literarischer Könner schreibt.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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