Rezension von Daniela Ziegler



Auf den Spuren frommer Frauen

Karla Bilang:
Die Frauenklöster der Zisterzienser im Land Brandenburg
trafo verlag, Berlin 1998, 186 S.
 

Im 12. und 13. Jahrhundert gründeten sich in Brandenburg zehn Nonnenklöster des Zisterzienserordens: Güldenstern, Lindow, Marienfliess, Heiligengrabe, Marienwerder, Boitzenburg, Friedland, Ziesar, das Marienkloster in Zehdenick und das Stadtkloster Jüterbog. Karla Bilang, Kunsthistorikerin, spezialisiert auf norddeutsche Backsteingotik, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die im Gegensatz zu den sieben Männerklöstern (darunter Lehnin, Zinna und Chorin) weniger bekannten Frauenklöstern erstmalig umfassend vorzustellen.

In den jeweiligen Abschnitten trägt sie Fakten zu Gründung und Gründungslegenden, zu Leben und Werk der Ordensfrauen und -männer sowie zu Aufstieg und Niedergang der Klöster zwischen Mittelalter und Reformation und zu ihrem Weiterwirken bis heute zusammen. Der Schwerpunkt liegt - gemäß der Profession der Autorin - auf Architektur und Erhaltungszustand der gesamten Klosteranlagen. Reiches Bildmaterial ergänzt den Text.

Für die soziale Tradition der Zisterzienserinnen, die die ersten Mädchenschulen im Lande gründeten, steht das Kloster Heiligengrabe, das offenbar ohne zeitliche Unterbrechung im Dialog mit gesellschaftspolitischer Realität stand und das in den fünfziger Jahren in eigenen Werkstätten an die alte Kunst der Paramentenweberei anknüpfte. Andere Klöster wie Lindow und Marienfliess widmen sich heute karitativen Aufgaben wie der Pflege alter Menschen.

Während Klöster heute wenig Zulauf verzeichnen, war in früherer Zeit das Dasein als Nonne nicht unattraktiv. Das Kloster bot - wenn anfänglich auch nur Adligen und reichen Bürgerinnen - immerhin die Chance zu Bildung und zur Ausfüllung verantwortungsvoller Positionen. Mancher Frau dürfte auch die Aussicht, ein zwar zurückgezogenes, aber langes Leben zu führen, verlockender erschienen sein, als jung im Kindbett zu sterben.

Die Frauenklöster standen in engem, räumlichem Kontakt mit den Ortschaften Brandenburgs. Obwohl die Klosterkirchen auch den örtlichen Gemeinden zur Verfügung standen, mußte ein Zusammentreffen der Nonnen mit der „Welt” vermieden werden. Dazu dienten die sogenannten Nonnenemporen mit separatem Zugang, eine architektonische Besonderheit der Zisterzienserinnenklöster. Als Zeichen für die Vermählung mit Christus standen die sogenannten „Handtreueschnallen”, flache Metallringe als Bestandteil des Habits, die sich unter den 25 000 Kleinfunden des Klosters Marienwerder bei Seehausen befanden. Ein Leben in frommer Klausur, in Gehorsam, mit festen Regeln und Aufgaben, jedoch sicher nicht ohne Freude und reger Wechselwirkung mit dem Draußen.

Von der Betriebsamkeit und der Autonomie der Wirtschaftseinheit Kloster zeugen weitere Funde aus Marienwerder: Küchengeräte, Einrichtungsgegenstände und Reste von Bekleidung, Farbnäpfe und Farbpaletten, Nähnadeln, Fingerhüte und Spinnwirtel, Schreibgriffel und Tafeln; Reste von heute unbekannten Getreidearten, unterschiedlicher Obst- und Gemüsesorten und Tierknochen geben Einblick in Garten-, Feld- und Stallarbeit sowie in einen abwechslungsreichen Speisezettel; Münzfunde verschiedener Münzstätten weisen auf Handelstätigkeit hin, Spielsteine auf Freizeitvergnügen. (Übrigens: Da die Klosterfrauen wohl kaum Felle getragen haben dürften, heißt die Schneidermeisterin des Klosters mit Sicherheit nicht Bestiaria, sondern Vestiaria [S. 33].)

Kurz und gut. In Zusammenarbeit mit dem regen Kaulsdorfer Ein-Mann-Verlag ist es der Autorin gelungen, einen architekturhistorischen Reiseführer für Liebhaber brandenburgischer Geschichte und für Menschen mit Interesse an Kirchenarchitektur vorzulegen.

Aber: Vorkenntnisse in Glaubensgeschichte braucht man schon. Den Glossar zieht man zwar aufgrund von Unwissenheit immer wieder hoffnungsvoll zu Rate, wird aber, was glaubens- bzw. ordensspezifische Begriffe betrifft, immer wieder enttäuscht (Was sind Zisterzen? Was Klarissen? Wodurch unterscheiden sich Zisterzienser von Benediktinern? Und so weiter.) Ohne ein gutes Lexikon geht es nicht. Warum ist das Inhaltsverzeichnis hinten und nicht vorne, wie allgemein üblich? Warum wurden die beiden Kapitel „Frauenklöster” und „Zisterzen” voneinander getrennt? Im Grunde genommen gehören sie zusammen. Und Wiederholungen hätten vermieden werden können.

Im übrigen scheint es, daß der Exkurs über Hildegard von Bingen ihrer großen Popularität Rechnung trägt. Die rheinische Äbtissin dürfte ja heutzutage die bekannteste Ordensfrau sein. Ihre Schriften zu Heilkunde und Ernährung wurden in den letzten Jahren zu richtigen Rennern. Mittlerweile leben kleine Unternehmen von Herstellung und Vertrieb ihrer Rezepte, und fast in jedem Bioladen kann man das von Hildegard empfohlene Dinkelbrot kaufen. Grund genug, um die Frage zu stellen: Kannten die Zisterzienserinnen Hildegard? Und zu dem Schluß zu kommen, daß dies wahrscheinlich, wenn auch nicht sicher ist ...?


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

zurück zur vorherigen Seite