Rezension von Helmut Caspar


Spolien aus fernen Zeiten

Archäologie in Berlin und Brandenburg, Bd. 5 (1998)
Herausgegeben von der Archäologischen Gesellschaft in Berlin und Brandenburg e. V. in Zusammenarbeit mit dem Brandenburgischen Landesmuseum für Ur- und Frühgeschichte
und dem Landesdenkmalamt Berlin.
Konrad Theiss Verlag in Kommission, Stuttgart 1999, 162 S., 150 meist farbige Abb.
 

Auf dem Gelände eines ehemaligen Rittergutes im Pankower Ortsteil Rosenthal sind vor einiger Zeit Berliner Archäologen fündig geworden. Wo künftig ein Wohnpark entsteht, wurden nicht nur Grundmauern eines schon im frühen 13. Jh. gebauten Wohnturms, sondern auch Reste eines königlichen Lustschlosses freigelegt, das bereits im 18. Jh. aufgegeben wurde. Die noch gut erhaltenen Spolien werden von Fachleuten als stadt- und kulturgeschichtlich so bedeutsam erachtet, daß sie in situ erhalten werden sollen. Aufschluß gibt die nunmehr fünfte Folge des Berlin-Brandenburgischen Archäologie-Jahrbuchs, das die Glanzstücke der Grabungskampagne von 1998 herausgreift, etwa siebzig von über eintausend Objekten. Auch die Reste eines Renaissance-Turms, die in den Fundamenten des Köpenicker Schlosses stecken, sollen am Originalstandort gezeigt werden, hingegen konnten die sehr gut erhaltenen Relikte des Münzgrabens und auch die Grundmauern des kurfürstlichen Gießhauses unweit des Kupfergrabens nur vermessen und zum Teil auch geborgen werden, wie an anderer Stelle des Jahrbuchs dargelegt wird.

Das mit einer Übersichtskarte, einer Zeittafel, einer Literaturliste sowie einleitenden Beiträgen der Amtsleiter zur archäologischen Denkmalpflege in beiden Bundesländern versehene Buch mit einem sehr populären Preis, der nur Dank finanzieller Hilfen beider Bundesländer sowie von Sponsoren und Mitgliedern der herausgebenden Archäologischen Gesellschaft mit jetzt 300 Mitgliedern zustande kam, ist nach großen Geschichtsepochen gegliedert, also Ur- und Frühgeschichte und Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit, Römische Kaiserzeit, Mittelalter und Slawenzeit sowie deutsches Mittelalter und Neuzeit. Es spannt den Bogen von steinzeitlichen Gräbern im Landkreis Uckermark über eine bronzezeitliche Nekropole auf einem Kasernengelände in Cottbus bis zu Kampagnen in den Stadtkernen von Brandenburg, Teltow, Perleberg und Belzig. Daß man schon vor einigen hundert Jahren allerhand Aufwand betrieb, um trockenen Fußes Einkäufe auf dem Markt zu tätigen, zeigen raffinierte Drainagen, die in Friesack, Luckau, Treuenbrietzen und Senftenberg entdeckt wurden. Berichtet wird auch über Ausgrabungen von Fundamenten des Potsdamer Stadtschlosses. Zielgerichtet wurde mit Blick auf einen möglichen Wiederaufbau nach Resten des 1960 beseitigten Fortunaportals gesucht, wobei neben wichtigen Eckdaten zur Lagebestimmung auch in Kalkmörtel verlegte Ziegel sowie glasierte Irdenware und Reste von Tonpfeifen gefunden wurden. Damit hat man in der Barockzeit ein Loch verfüllt, das nach Meinung der Archäologen wohl als Abort gedient hat.

An anderer Stelle ist zu lesen, daß Archäologen am Stadtrand von Frankfurt (Oder) Reste von Fachwerkbauten gefunden haben, die zu dem schon lange verschwundenen Dorf Pagram gehörten. Die Steinpackungen und Spuren von Holzpfählen lassen ahnen, daß es sich um eine Siedlung handelt, deren Häuser sich am Verlauf eines Baches orientierten. Keramikfunde aus dem späten Mittelalter stimmen mit solchen überein, die man in der Altstadt von Frankfurt gemacht hat. Weitaus älter sind menschliche Siedlungsspuren, die bei der Anlage des European Trade and Transport Centers (ETTC) unweit des Frankfurter Ortsteils Lichtenberg ans Tageslicht traten. Die Funde wurden „mit Erstaunen” registriert, denn dicht an dicht hat man in der Erde Spuren von Vorratshäusern und Abfallgruben gefunden, die den Platz zum „bislang größten bekannten bronzezeitlichen Speicherareal im östlichen Brandenburg” werden lassen.

Nicht immer gehen die Bodendenkmalpfleger mit Spaten und Pinsel vor, wie weiter zu erfahren ist, gelegentlich bedienen sie sich auch geophysikalischer Meßmethoden, die schon vor einiger Zeit auf dem Berliner Schloßplatz bei der Erkundung im Boden versteckter Fundamente und Hohlräume angewandt wurden. Im Bereich der ehemaligen Ministergärten, just dort, wo jetzt die Vertretungen einiger Bundesländer entstehen und das Holocaust-Mahnmal errichtet wird, konnten unterirdische Strukturen aus der NS-Zeit - Bunker, Tiefgaragen, Gänge - identifiziert werden. Wie aus dem Jahrbuch hervorgeht, zeigte sich, daß entgegen bisheriger Annahme noch erstaunlich viel von Hitlers geheimnisumwitterter Bunkerstadt erhalten ist.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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