Annotation von Eberhard Fromm


 

Giroud, Françoise:
Cosima Wagner
Mit Macht und mit Liebe.
Eine Biographie.
Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1998, 199S.

 

Die französische Schriftstellerin, Journalistin und Ex-Ministerin hat sich mit dieser 1996 in Paris erschienenen Biographie die Aufgabe gestellt, die Liebesgeschichte zwischen Cosima (1837-1930) und Richard Wagner (1813-1883) zu schreiben. Das muß man wissen, wenn man den Band in die Hand nimmt. Denn sonst müßte man verblüfft nach dem Leben der Cosima fragen, das sie nach dem Tode Richard Wagners 1883 geführt hat. Immerhin lebte sie noch bis 1930. Wenn man die Beziehung zwischen Cosima und Richard Wagner etwa mit den Jahren 1863 bis eben 1883 umreißt, dann stehen diesen zwanzig Jahren noch 47 Jahre gegenüber, die Cosima in Bayreuth und mit ihren Kindern lebte. Sie werden in zwei knappen Kapiteln abgehandelt, eigentlich mehr abgefertigt. Dabei waren das doch Zeiten mit historischer Dimension: die Entwicklung des Kaiserreichs, der Erste Weltkrieg, die Weimarer Republik. Und Cosima spielte in diesen Jahren in Bayreuth eine herausragende Rolle, wie die Autorin selbst beschreibt: „Sie hat sich in ihrem Leben Liszt unterworfen, Bülow unterworfen, Wagner unterworfen. Jetzt führte sie das Regiment. Frei. Erlöst.”

Es ist wirklich keine umfassende Biographie der Cosima Wagner, die man hier zu lesen bekommt. Denn auch die Kindheit und Jugend der Tochter des großen Komponisten und Klaviervirtuosen Franz Liszt (1811-1886) und ihre Ehe mit dem Musiker Hans von Bülow (1830-1894) werden in den ersten beiden Kapiteln zusammengedrängt.

Es geht also um die Beziehung von Cosima und Richard Wagner. Und damit ist das Kernstück des Buches auch immer ein Stück Biographie des Richard Wagner, der das Leben der Cosima total ausfüllt und bestimmt. Das wird selbst dort sichtbar, wo es um eine solche Problematik wie den militanten Antisemitismus Wagners geht. Hier forscht die Autorin nach Gründen dieser Haltung bei Wagner; von Cosima heißt es dann, „daß sie Wagner nachplappert”.

Breiten Raum nehmen naturgemäß die Beziehungen der Wagners zum bayrischen König Ludwig II. (1845-1886) ein. Auch hier spielt das besondere Verhältnis Cosimas zum König, wie es in dem 1996 erstmals komplett veröffentlichten Briefwechsel sichtbar wird, gegenüber dem Verhältnis des Meisters zu seinem Gönner eine untergeordnete Rolle. Andere Schwerpunkte in der Darstellung sind das Verhältnis zu dem Philosophen Friedrich Nietzsche (1844-1900) und natürlich die Entstehung des Wagnerzentrums in Bayreuth mit dem Festspielhaus und der Villa „Wahnfried”. Über das innere Familienleben, insbesondere auch über Cosima als Mutter, erfährt man dagegen recht wenig. „Cosima ist in Wahrheit keine gute Mutter”, heißt es lapidar. Dabei gab es unter den Mädchen Daniela (1860), Blandine (1863), Isolde (1865), Eva (1867) und dem „Kronprinzen” Siegfried (1869) bereits frühzeitig Spannungen und - zumindest von seiten Danielas - regelrechte Revolten gegen die Mutter. Auch der Alltag in der Villa „Wahnfried” bleibt weitgehend unbeschrieben. Alles wird bestimmt von den Höhe- und Tiefpunkten, den wichtigsten künstlerischen Daten, die durch das Schaffen Richard Wagners gesetzt worden sind.

All das bedeutet jedoch nicht, daß man dieses Buch nicht mit Gewinn liest. Es beschreibt die „Heroine einer Liebesgeschichte, wie es sie nur selten gibt”- und wer liest nicht etwas so Einmaliges gerne! Nur eine Biographie darf man nicht erwarten. Hier täuscht der Untertitel. Und Cosima wird eben auch nicht „in all ihrer Eigenart” vorgestellt, sondern vor allem, beinahe ausschließlich, in nur einer, allerdings sehr aufregenden Rolle: als Geliebte ihres Richard.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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