Annotation von Horst Wagner


 

Barck, Susanne/Langermann, Martina/Lokatis, Siegfried (Hrsg.)
Zwischen „Mosaik” und „Einheit”
Zeitschriften in der DDR.
Ch. Links Verlag, Berlin 1999, 751 S.

 

543 lizenzierte Zeitschriften gab es 1989 in der DDR. Viele davon wurden von der Wende verweht oder gingen in den Nachwende-Stürmen unter neuen Marktbedingungen zugrunde. Einige, wie der „Eulenspiegel” und das „Magazin” sowie eine ganze Reihe anderer, vor allem Fachzeitschriften, haben sich behaupten können. 65 Titel - von der „Einheit”, dem theoretischen Organ der SED, bis zum „Mosaik”, der beliebten Comic-Zeitschrift, vom Studentenblatt „Forum” bis zum „Hund” - haben die 105 Autoren und Gesprächspartner in Erinnerung gerufen, ihr Profil, ihre Arbeitsbedingungen und zumindest Teilstrecken ihrer Geschichte in Artikeln oder Diskussionsrunden vorgestellt. Darunter auch Blätter, die es 1989 nicht mehr oder noch nicht gab, die - wie die anspruchsvollen Projekte „Die Republik” (1954) und das als DDR-Nachrichtenmagazin gedachte „Profil” (1964) - schon vor ihrer Geburt an der Engstirnigkeit der Oberen sterben mußten, oder die als Samisdat im Verborgenen blühten.

Ein mächtig-gewaltiges Werk also und ein schwieriges Vorhaben dazu: weil - wie die Herausgeber begründen - kaum verwertbare Analysen aus DDR-Zeiten und auch kaum west- bzw. neudeutsche Untersuchungen zur Verfügung standen. Aber auch weil - das wird in der recht unterschiedlichen Qualität der Beiträge und manchen Ungereimtheiten deutlich - sich nicht immer wirklich sachkundige Autoren bzw. Gesprächspartner fanden. (Bleibt zu fragen, wieweit sich die Herausgeber darum bemühten.) Das jedenfalls könnte ein Grund sein, warum z. B. von den auflagenstarken Wochenzeitungen und Illustrierten die „Wochenpost” (vertreten durch ihren langjährigen stellvertretenden Chefredakteur Klaus Polkehn) gleich in mehreren Beiträgen gründlich vorgestellt wird, während „NBI” und „Freie Welt” recht summarisch in einem Überblicksartikel und die „FÜR DICH” lediglich als kleines Anhängsel im Beitrag über die „Frau von heute” behandelt werden. Wobei man aus letzterem zu seinem Erstaunen erfährt, daß dort die DFD-Vorsitzende Ilse Thiele zum Redaktionskollektiv gehörte (gemeint ist sicher ein Redaktionsbeirat). Während die „Sybille”-Geschichte von der Gründung 1956 bis 1990 beschrieben wird, beschränkt sich die des „Eulenspiegels” und des „Magazins” auf die Zeit bis 1968 bzw. 1970. Der „Horizont” kommt dafür im wesentlichen nur aus den Jahren 1989-1991 vor. Zwar findet sich Interessantes aus der Frühgeschichte der Programmzeitschrift „Der Rundfunk”, die „FF-Dabei”, immerhin mit fast 2 Millionen die auflagenstärkste DDR-Zeitschrift überhaupt, bleibt so gut wie unberücksichtigt.

Beachtenswert andererseits, wie viele Wissenschafts-, Kultur-, Literatur-, Kunst-, Kirchen- und Fachzeitschriften es zu DDR-Zeiten gegeben hat, die hier zumeist recht kompetent behandelt werden, wobei auch Blätter wie die „Armeerundschau” und „Die Volkspolizei” Aufnahme gefunden haben. In Westberlin für die „Gegenpropaganda” in der DDR hergestellte Zeitschriften wie die „Tarantel” finden sich ebenso wie die Samisdat-Schriften „Umweltblätter”, „Friedrichsfelder Feuermelder” u. a. sowie die eine gewisse Sonderrolle zwischen den Fronten spielenden „Weißenseer Blätter”. Sieht man von den oben genannten Ungereimtheiten ab, so ist das Gesamtbild, das in diesem Buch von der DDR-Zeitschriftenpresse sowie von den DDR-Journalisten überhaupt gezeichnet wird, doch zumeist auffallend objektiv, verzichtet auf vordergründige Verdammungsklischees. Eine Ausnahme vielleicht der Beitrag über die Leipziger Journalistik-Fakultät, bei dem man sich weniger „Rote Kloster”-Legenden, dafür mehr kritische Anakyse zu Lehrplan und -methoden gewünscht hätte.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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