Annotation von Alfred Büngen
Schwarze, Christiane:
Meine Tage wurden wie schimmernder Opal
Mauer Verlag, Rottenburg/a. N. 1999, 106 S.
dies.:
Und zum ersten Mal liebte sie sich selbst
Mauer Verlag, Rottenburg/a. N. 1999, 108 S.
Zwei beeindruckende Bücher über das
Leben, Denken und Fühlen einer körperbehinderten Frau. Verse, Kurzprosa und Märchen; das
zweite Buch literarisch erheblich gereifter
gegenüber dem ersten. Floskeln wie Bücher von
schonungsloser Offenheit und Kraft will ich mir
und der Autorin ersparen. Was bitte soll ich als
Leser denn sonst in einem Band mit Kurzprosa und
Lyrik erwarten? Die schonungslose Offenheit als Empfindung liegt ausschließlich beim Leser,
der es nicht gewohnt ist, daß eine behinderte Frau
die gesamte Bandbreite der Gefühle thematisiert,
keine klassische Betroffenheitsliteratur produziert.
Also heißt es, die Kritik literarisch zu führen, danach die Rückwirkungen für andere Behinderte und für den nicht behinderten Leser zu thematisieren. Die Stärke der Autorin liegt sicherlich im Bereich der Lyrik, die die Bildhaftigkeit ihrer Sprache in besonderer Weise zur Geltung kommen läßt. Noch heute nehme ich mich selbst bei der Hand, / die Umrisse meiner eigenen Spuren zu suchen. / Ich leihe mir von der Sonne ein paar Strahlen / und übe damit / Jonglieren und Feuertanzen. Aus diesen Wortspielen fließt das ganze Selbstbewußtsein der Autorin, ihre Kraft der Phantasie, die sie mittels der Sprache auch in ihre Prosatexte transformiert. Aus alltäglichen Ereignissen, Erlebnissen und Gefühlen werden so häufig phantastische Texte, Märchen für den erwachsenen Leser. Erstaunlicherweise findet die Autorin dabei immer wieder den Weg zur Wirklichkeit zurück. Als sie den Träumen noch erlaubte in ihr herumzuspazieren, spürte sie im Laufe der Jahre die Kluft zwischen ihnen und dem tatsächlich Möglichen immer schmerzlicher. Sie muß als Mensch einen weiten Weg der Erfahrung und Selbstbewußtseinsentwicklung zurücklegen, um das Spiel zwischen Realität und Traum zu beherrschen.
Texte von Christiane Schwarz hinterlassen Wirkung. Für nicht körperbehinderte Leser kann ich Wirkungen nur vermuten. Sie sind wohl am ehesten mit der Begrifflichkeit der Überwindung der eigenen Vorurteilsbarrieren zu umschreiben. Christiane Schwarz drückt es in der Umwidmung des Zu aus.
Vom Zu langsam, zu krumm, zu steif, zu
schlaff, zu kraftlos, zu ungeschickt entscheiden sich Körperbehinderte, aber auch nichtbehinderte
Frauen und Männer für ein neues Zu: zu
aufrührerisch, zu querdenkend, zu widerspenstig, zu
eigenwillig, zu selbstbewußt. Christiane Schwarzes
Literatur, das ist auch literarisch äußerst gelungenes Suchen nach der Möglichkeit der
Entfaltung eines humanen Lebens in unserer Gesellschaft.