Annotation von Maria Careg


 

Borchardt, Alice:

Die Königin der Wälder
Roman. Deutsch von Susanne Tschirner.
Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1999, 716S.

 

Wer Die Mauern von Chantalon gelesen hat, wird sich freuen, daß schon nach so kurzer Zeit eine Fortsetzung des bunten Mittelalter-Spektakels gefolgt ist. Die zeitlichen Bögen, die Alice Borchardt spannt, umfassen jeweils nur wenige Monate, und das zweite Buch schließt unmittelbar an das vorangegangene an. So freut es den Leser, das wohlbekannte Personal, das den ersten Teil bevölkerte, gesund und munter anzutreffen: die schöne Elin, eine junge Frau aus dem alten Volk, Owen, ihren Ehemann und Geliebten, Bischof von Chantalon und Retter der Stadt, sowie diverse Freunde und Feinde, Stadtbewohner und Haushaltsangehörige.

Die Rettung von Chantalon war nur von kurzer Dauer gewesen, denn der mächtige, sieggewohnte Nordmann Haakon, der Todfeind Elins und Owens, sinnt unablässig auf Rache. In einem geschickten Schachzug wurde er zum Ehemann der Witwe Reynalds, Owens ehemaligem Freund, der nicht gezögert hatte, diesen ans Messer zu liefern. Haakon gebietet nunmehr nicht nur über ein gewaltiges Wikingerheer, sondern auch über die Ländereien seiner Frau.

Elins Visionen von herannahenden Gefahren veranlassen den jungen Bischof, sich aufzumachen, Unterstützung gegen die Wikinger zu sammeln. Die Leute von Elins Volk begleiten ihn auf dieser Suche, die ihn statt - wie geplant - an den Hof seines Vaters in ein magisches Königreich verschlägt, das er seinerseits vor den Wikingern rettet. Als er jedoch das Dankgeschenk, die Hand der schönen Prinzessin, die er befreite, ausschlägt, muß er in einem uralten magischen Ritual die bösen Mächte in sich selbst besiegen, ehe er die Freiheit wiedererlangt.

Als er mit seinen neugewonnenen Freunden zurück in seine Stadt reitet, um diese abermals vor den Nordmännern zu beschützen, bleibt ihm nicht mehr viel zu tun, denn auch Elin und die Stadtbewohner waren in der Zwischenzeit so aktiv wie einfallsreich bei der Verteidigung. Owen erscheint im entscheidenden Augenblick der Schlacht, so daß er und seine Begleiter mit ihren unverbrauchten Kräften die geschwächten Gegner bezwingen können.

Was hier so knapp und gerafft wiedergegeben wird, ist in Wahrheit ein praller Abenteuerroman, in dem sich lebhaft beschriebene Kampfszenen, mystische Ereignisse, Liebe, Eifersucht und Versöhnung bunt aneinanderreihen. Alice Borchardt wäre nicht Alice Borchardt, hätte sie nicht für einen glücklichen Ausgang gesorgt, trotz der großen Verluste unter Owens Leuten. Auch wenn an manchen skurril anmutenden Stellen das zehnjährige, munter vor sich hin fabulierende Mädchen durchschimmert, das ihre Schwester Anne Rice im Vorwort beschwört, so sind die lebhaften Schilderungen doch von großem erzählerischen Talent und genauer Kenntnis des mittelalterlichen Lebens geprägt und mitunter von tiefer Lebensweisheit durchdrungen. Alice Borchardt billigt selbst den grausamsten Feinden eine menschliche Seite zu und erzählt deren Geschichte in einer Weise, die auch für diese eine positive Wendung erhoffen läßt, die sie ihnen auch gewährt.

Da zunächst alle Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt sind, darf man gespannt auf die nächsten Nachrichten aus Chantalon sein.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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