Rezension von Burga Kalinowski


 

Blick zurück und nach vorn?
Heinrich Bortfeldt:
Von der SED zur PDS - Wandlung zur Demokratie
Bouvier Verlag, Bonn 1997, 299 S.
 

Die ersten Sätze dieses Textes waren geschrieben - zu Machtmißbrauch, Korruption und Selbstherrlichkeit der SED -, da kamen die Meldungen. Der ehemalige CDU-Schatzmeister entpuppte sich als Schmiergeld-Transporteur für Panzerlieferungen an Saudi-Arabien. Na, so was! Im Lande wispert's: Läßt sich der Bundessicherheitsrat etwa seine unabhängigen Entscheidungen bezahlen, ist die CDU gar eine ordinäre Bargeld-Connection, steuern Politiker, Rüstungskonzerne und Waffenhändler vielleicht gemeinsam in einem (Kanonen-) Boot gewinnträchtige Gefilde an? Schwarze Konten, kungeln mit dem Kapital, bei Kohl und Kon(zernen)sorten stimmt die Marie. O graus, o weh - nun, Helmut Kohl - nu geh. Zeter und Mordio nehmen kein Ende. Ist der Mond auf die Erde gefallen? Sind Finanzskandale und Schnäppchen (hups, 'ne Hochzeitsreise, lecker, 'ne Geburtstagsparty, hurra, wir fliegen umsonst), ist das als One-Man-Show präsentierte Stück („Ich diente meiner Partei.”) tatsächlich so neu? Nein, nur von OK - organisierter Kriminalität - wurde bislang so offen nicht geplaudert. Hilfreich zur Bürgerorientierung wäre auch ein wöchentliches (oder, bitteschön, tägliches) Regierungsbulletin über gesetzesbrecherische Aktivitäten der Volksvertreter. Doch nun zurück zu den DDR-Bolschewisten - von denen wir mittlerweile alles wissen. Außerdem ist der Dreck am Stecken des anderen natürlich immer dreckiger.

Der Außerordentliche Parteitag der SED vom 8./9. und 16./17. Dezember 1989 war der erste ohne Protz und Pathos. 48 Tage nach dem Sturz von Honecker, 4 Wochen nach dem Mauerfall und 5 Tage nach dem Rücktritt von Krenz als Generalsekretär trafen sich in Berlin 2 753 Delegierte, um über Zustand und Existenz ihrer Partei zu beraten, die sich in einer „katastrophalen Lage” befand. Die Analyse „Zur Krise in der Gesellschaft und ihren Ursachen, zur Verantwortung der SED” kennzeichnete ziemlich genau den „Stalinismus als System, das ein Geflecht von Strukturen hervorgebracht hatte, das Machtmißbrauch, Korruption, Selbstherrlichkeit, die Kriminalisierung und sogar die physische Vernichtung Andersdenkender ermöglicht hatte”.

Dieses System hielt sich selbst nicht mehr aus. Im Buch werden die unmittelbare Vorzeit, die Jahre 1987/88, betrachtet, die Verschärfung der Krisenprozesse 1989 dargestellt und schließlich der „schwere Abschied von der Macht” analysiert. Der Autor bietet viel Informationen und zutreffende Wertung über die Schwierigkeiten, Zwistigkeiten, Finanz- und Personalkungeleien auf dem Weg zur Demokratie. Ankunft in Deutschland - erst ein umstrittenes Ziel, heute ein selbstverständlicher Zustand. Markiert die Anerkennung des Faktischen (gleichgültig, ob sie zähneknirschend, opportunistisch oder begeistert erfolgt) nun auch die vollzogene Wandlung der PDS zur Demokratie? Das Fazit des Autors ist ein kräftiges Jein. Zu tief verinnerlicht seien alte Denkstrukturen und Machtmechanismen, zu traumatisch zumal für die Basis das Erleben der Folgen des Einigungsprozesses, zu groß die programmatische Orientierungslosigkeit durch den „intellektuelle(n) Abschied von einst heiligen Lehrsätzen des Marxismus-Leninismus und die Hinwendung zum sozialdemokratischen Traditionsbestand”, „was für viele Mitglieder nicht nachvollziehbar war. Das wird sich bis heute nicht grundsätzlich geändert haben, gerät aber durch respektable Wahlergebnisse aus dem Blickfeld. Überhaupt scheint es, daß die PDS (besser gesagt das Führungspersonal samt etabliertem Apparat) den Zuspruch, den sie als Oppositionspartei erhält, sehr weit auslegt: als Lizenz zum Regieren. Wo kommt er nur her, dieser Hang zum Größenwahn? Duldung, Koalitionen (mal SPD, mal CDU oder so), von einem PDS-Ministerpräsidenten ist gar die Rede - nach dem „schweren Abschied von der Macht” vor knapp 10 Jahren ist man nun wieder unterwegs zu den Pfründen der Macht. Insofern hat eine bemerkenswerte Wandlung zur Demokratie stattgefunden.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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