Rezension von Eberhard Fromm



Philosophie oder Theologie?

Alexander Lohner:
Der Tod im Existentialismus
Eine Analyse der fundamentaltheologischen, philosophischen und ethischen Implikationen.
Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 1997, 308 S.


Nimmt man dieses Buch in die Hand, eine Dissertation des 1961 geborenen Alexander Lohner, erwartet man vom Titel und nach den ersten Sätzen des einführenden Prologs, daß hier die Todesanalysen der bedeutendsten Existenzphilosophen referiert werden. Das wäre ein echter Gewinn. Denn da solche Denker wie Heidegger oder Sartre, Jaspers oder Marcel zu dieser Frage um Ernsthaftigkeit und Tiefe bemüht waren, könnte das Problem des Todes hier recht gründlich behandelt werden. Doch noch im Prolog erfährt man ganz andere Zielstellungen des Autors: Es geht plötzlich um die Sterblichkeit des Menschen, um die Frage eines Lebens nach dem Tod und ein letztlich theologisches Anliegen.

So etwas verunsichert, beginnt man nun die Lektüre und wird zuerst auf wenigen Seiten in die Existenzphilosophie im allgemeinen eingeführt. Anschließend geht es um den Tod in der Lebensphilosophie, wobei Nietzsche, Klages, Spengler, Eucken und Simmel vorgestellt werden. Bereits hier wird ein methodisches Herangehen sichtbar, das die Lektüre nicht unbedingt erleichtert: Der Autor führt immer erst recht umfassend in die Philosophie des jeweiligen Denkers ein, bevor er zu seinem eigentlichen Thema kommt. Nicht selten sind diese allgemeinen Darstellungen sogar umfänglicher als die der Todesproblematik. Wenn man dann noch bei den einzelnen Lebensphilosophen erfährt, daß ihre Ausführungen zum Tod simplifizierend und enttäuschend seien, fragt man sich, warum denn soviel Aufwand für diesen Abschnitt - immerhin über 70 Seiten des Buches - betrieben worden ist.

Auch der eigentliche Schwerpunkt, nämlich der Tod in der Existenzphilosophie, wird nach dem gleichen Schema abgearbeitet: zuerst eine breite Darstellung des Philosophierens des jeweiligen Denkers, dann ein wenig zur Frage des Todes und danach theologische Problemstellungen. Typisches Beispiel ist die Behandlung von Jean-Paul Sartre: 1. Das Sein und das Nichts (9 S.), 2. Meine Leiblichkeit und der Andere (7 S.), 3. Die Gottesfrage bei Sartre (8 S.), 4. Der Tod im Werk Jean-Paul Sartres (10 S.). Wenn immer wieder solche Themen aufgegriffen werden wie die Gottesfrage bei dem einzelnen Denker, Camus und das Christentum, die Frage nach der Möglichkeit einer christlichen Existenzphilosophie, philosophischer Glaube und Religion u. ä., so wird deutlich, daß die eigentliche und im Titel versprochene Themenstellung nicht selten in den Hintergrund gedrängt wird.

Auch sonst macht der Autor es dem Leser nicht leicht. So erklärt er eingangs, daß er seine Kapitel nicht historisch orientiert habe - weshalb zum Beispiel Sören Kierkegaard ziemlich am Ende auftaucht -, sondern daß sie einer inneren Logik folgen; doch die wird nie so recht deutlich. Seine jeweiligen „Einführungen” in das Philosophieren der verschiedenen Denker grenzen manchmal an Anmaßung; es ist eben kaum möglich, die Grundzüge der Philosophie eines Martin Heidegger auf knapp neun Seiten auch nur skizzenhaft darzustellen. Schließlich fragt man sich nach den Auswahlkriterien, wenn man vergleicht, welch geringer Stellenwert einem Karl Jaspers gegenüber dem ausführlichen Text eines Gisbert Greshake beigemessen wird. Des Rätsels Lösung liegt wohl im abschließenden Epilog, wo der erstaunte Leser gesagt bekommt, daß das eigentliche Ziel des Buches darin bestand, zu zeigen, „welche Bedeutung die Todesreflexionen der Existenzphilosophen für die christliche Theologie und pastoral haben”. Es ging also weniger um die Ansichten zum Tod selbst als um deren Bedeutung für etwas ganz anderes. Vielleicht wurde deshalb auch auf die bei einer solchen Arbeit eigentlich unbedingt erforderlichen Sach- und Personenverzeichnisse verzichtet.

Möglicherweise bedeutet das Buch für bestimmte Adressaten einen Erkenntnisgewinn. Der Titel aber verspricht etwas, was leider nicht eingelöst wurde.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 01/00 © Edition Luisenstadt, 2000
www.luise-berlin.de

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