Rezension von Bernd Heimberger



Scherben auf der Schippe  

Paule Constant: Vertrauen gegen Vertrauen
Aus dem Französischen von Michael Kleeberg.
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt/M. 1999, 270 S.  

Auch Weiberwirtschaft ist nix. Vier Frauen auf einem Fleck ist der reine Terror. Also Finger weg von „einer Küche voller Frauen, mitten im Zentrum Amerikas”. Vertrauensvoll, wie sie sich gibt, muß uns Paule Constant in ihrem Roman Vertrauen gegen Vertrauen nicht mehr sagen. Um es zu sagen, lotst die französische Schriftstellerin uns tatsächlich in jene amerikanische Kleinbürgerinnenküche. Mehr oder weniger heftig geraten sich in der vier gebildete Frauen ins Gehege, die nur eines eint: die Teilnahme an einem Universitäts-Kolloquium.

So neu sind die Mädels nicht mehr. Allesamt um die Fuffzig, haben Aurore, Babette, Gloria und Lola manches Paket auf ihrem biographischen Buckel. Trotz stattlicher literarischer, schauspielerischer, wissenschaftlicher Karrieren stehen die Damen doch vor manchem Scherbenhaufen. Aus allen Ecken der Erde angereist, also welterfahren, fühlen sie sich eher weltverlassen und weltverdrossen. Den Mädels fehlt das, was gemeinhin Liebe genannt wird. Ausgemacht ist, daß Männer Schurken sind, die Frauen altern lassen, wenn sie diese verlassen. Ausgemacht ist auch, daß die vier vermutlich keine Männer mehr möchten, garantiert jedoch nicht wollen, daß kein Mann sie mehr will. Ein Stand ist erreicht, der Stillstand ist. War's das, was Constant schildern wollte: Stillstehen und Stillstand im mittleren Alter? Heißt das, den Frauen die Faust ins Gesicht drücken? Heißt das, der ganzen Emanzipation einen Tritt zu versetzen?

Paule Constant ist zuerst Prosaistin und dann erst Polemikerin. Der Roman beginnt wie eine Roman-Kopie. Beginnt mit beliebigen Beschreibungen von Frühling, Landschaft, Haus. Ein Kübel Trivialvokabeln wird ausgekippt. Von Herz bis Morgengrauen und Gänsehaut, Himmel und Wolken, Baumwipfel und Blütenmeer ist auf den ersten beiden Seiten nichts ausgelassen. Und so was hat - 1998 - den „Prix Goncourt” bekommen? Wer schließlich bis zum Schluß das Gefühl nicht los wird, das ist Lektüre, die aus Lektüre gemacht ist, muß deshalb nicht total in Widerspruch zur Preisjury geraten. Obwohl keine prächtige Gestalt, keine kräftige Geschichte aus dem Roman hervortritt, wird das Buch von Seite zu Seite besser. Die Schriftstellerin hat eine Satire geschrieben, die eine Menge auf die Schippe nimmt. Das Emanzipationsgetue sowieso und den gesamten Literatur- und Filmbetrieb.

Vertrauen gegen Vertrauen: Paule Constant hat viele Flusen zusammengekehrt. Manchmal hat es sich die Autorin zu leicht gemacht, etwas auf die Schippe zu nehmen. Zu viele nette Nebensachen machen zu wenig zur Hauptsache. Die Hauptsache von Vertrauen gegen Vertrauen ist? Die Schriftstellerin macht die Leser nicht schlauer.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 01/00 © Edition Luisenstadt, 2000
www.luise-berlin.de

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