Annotation: Belletristik

Molsner, Michael:
Spot auf den Tod oder Wie man sich bettet, so lügt man

Ein Schlüsselroman um Walter Sedlmayr.
ZEBULON Verlag, Düsseldorf 1997, 256 S.

„Medienkrimi“, unter diesem Rubrum installiert Verleger Hajo Leib eine neue Spielart des Genres. Der erste Medienkrimi des ZEBULON Verlages erscheint innerhalb der ZEBULON-Krimi Reihe. Kein Geringerer als Altmeister Michael Molsner, Mitbegründer des NDK (Neue Deutsche Krimis, Ende der 60er Jahre) und Mitinitiator der Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur DAS SYNDIKAT macht den Anfang und legt seinen ersten Medienkrimi vor: Spot auf den Tod oder Wie man sich bettet, so lügt man. „Ein Schlüsselroman um Walter Sedlmayr“, so lautet der Untertitel. Die Hauptfigur des Kriminalromans, Florian Waibel, erinnert in einigen Zügen an den bayerischen Volksschauspieler Sedlmayr. Mike Ratys gibt den Ermittler neuen Typs - Schriftsteller und mehr Enthüllungsjournalist denn Reporter. Waibel, geschildert als herzensgut, bauernschlau und schwul, brilliert als Schauspieler in der Rolle „des kleinen Mannes“. Sein größtes Hobby aber sind Antiquitäten - und da solch ein Hobby unermeßlich teuer werden kann, verlegt er sich auf die Hehlerei von gestohlenen Kunstschätzen. Sein Hang zur Unterwelt hält sich die Waage mit seinem Hang zu jungen Männern, vorausgesetzt, sie neigen zur Gewalttätigkeit. Harte SM-Praktiken machen Florian Waibel selig, im wahrsten Sinne des Wortes, wie Mike Ratys später feststellen muß. Gedeckt werden Waibels sexuelle Obsessionen von seiner engsten Umwelt, seine „künstlerischen“ Ambitionen wiederum von der obersten Etage der bayerischen Landesregierung. Verständlich, daß es kommt, wie es kommen muß. Waibels geheime Vorlieben werden sein abrupter wie schmerzlicher Untergang. Ans Luxusbett gefesselt, ausgepeitscht und dann brutal totgeschlagen - ein Ende wie in einem Tatort-Krimi. Mike Ratys, seit frühester Jugend persönlich mit Waibel bekannt, beginnt zu recherieren, sammelt Fakten und Fotos. Und schon bald bringt ihn sein investigativer Journalismus selber in äußerste Bedrängnis. Wo Show-Busineß und Unterwelt-Milieu ihre Schnittstellen haben, wird es für Außenseiter gefährlich. Daß Waibel nicht irgendwelchen Gespielen den Vorzug gab, sondern ausgesprochene Killertypen erst den richtigen Pep in sein (Liebes-)Leben brachten, wird dem selbsternannten Ermittler bald klar. Und zwar auf sehr persönliche Art und Weise. Als er dem Täter durch einen Zeugen nähergekommen scheint, folgt prompt die Ernüchterung. Der Zeuge lächelt ihm starr entgegen - durch eine Plastiktüte. Wie bereits gesagt: Waibel ist nicht Sedlmayr. Molsners Idee zum vorliegenden Krimi: „Es war mein Wunsch, Sedlmayr noch einmal eine Rolle auf den Leib zu schreiben: wuchtig und düster und ohne die Beschönigungen der Seifenoper.“

Michael Molsner, Jahrgang 1939, arbeitete als Journalist und Gerichtsreporter. Seit Ende der 60er ist Molsner freier Schriftsteller. Sein erster Kriminalroman (Und dann hab ich geschossen) galt als wegweisend für die deutsche Kriminalliteratur und brachte ihr den Anschluß an das Weltniveau des Genres. Dieses gilt auch für die folgenden Krimis und Politthriller des Autors, der stets aktuelle politische Konflikte im Vorfeld erkannt und sie dann beklemmend authentisch beschrieben hat.

Thomas Przybilka


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite