Rezension

 

Nur die Harten kommen in den Garten

Ute Ehrhardt:
Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin

Warum Bravsein uns nicht weiterbringt.
Wolfgang Krüger Verlag, Frankfurt/M. 1994, 222 S.

dies.:
Und jeden Tag ein bißchen böser

Das Handbuch zu „Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin“.
Wolfgang Krüger Verlag, Frankfurt/M. 1996, 191 S.

 

Da können sie sich nun aber freuen, die Brasilianerinnen und die Amerikanerinnen, die Holden aus Griechenland, Italien, Spanien und der Türkei, niederländische und dänische Mädels, Japans und Koreas Evastöchter, die Schönen aus Ungarn, Polen, Rumänien, Tschechien und der Slovakei, ja, selbst die Isländerinnen können jetzt jubeln und die westdeutschen Frauen, selbstredend.

Nur wir Ost-Weiber gehen wieder einmal leer aus. Denn für uns ist dieses Buch nicht geschrieben. Ute Ehrhardts Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin, steht seit über einem Jahr auf den vordersten Plätzen aller Bestseller-Listen, wurde über 1 Million Mal verkauft. Und wo bleibt er nun, der millionenfache weltweite Aufschrei und Aufstand der Frauen?

Er kommt wohl erst, wenn Frauen begreifen, daß sie sich das nehmen müssen, was ihnen zusteht: Gleichberechtigung! „Doch leider wird Gleichberechtigung von zwei Seiten behindert. Zum einen von Männern, die keine Macht abgeben wollen, zum anderen von Frauen, die keine Macht fordern“, so die Autorin, und das liegt daran, weil Frauen kollektiv am „Mona-Lisa-Syndrom“ leiden; das unergründliche Lächeln Mona Lisas stellt für die Autorin „das stärkste Symbol weiblicher Unterwerfung“ dar.

Denn Frauen sind das brave Geschlecht - freundlich sollen sie sein, nachgiebig, bescheiden und großzügig. Das wird laut Frau Ehrhardt nicht nur erwartet, es entspricht sogar dem Bild, das jede Frau in sich trägt. Wirklich? Na ja, ich darf daran zweifeln, bin ich doch als Ost-Frau ohnehin schon ein böses Mädchen, weil relativ emanzipiert. Damit ist es nun seit geraumer Zeit vorbei, denn ich mußte mich höherer, gesetzlicher (Männer-)Gewalt beugen, die mich auf das Abhängigkeits-Niveau meiner Großmutter zurückstieß. Das hat mich so richtig böse gemacht, doch genützt hat es mir in diesem Fall nichts.

Aber zurück zu den Braven, die nun endlich mal aufmucken sollen. Zwei psychologische Erklärungen gibt es dafür, daß Frauen in Abhängigkeiten geraten und sich von Denkfallen blockieren lassen: die erlernte Hilflosigkeit und das Konzept der sich selbst erfüllenden Prophezeiung.

Hilflosigkeit kann durch unterschiedlichste Erfahrungen dazu führen, daß Frauen g l a u b e n, sich nicht selbst helfen zu können, eine der Denkfallen, die handlungsunfähig macht. Die sich selbst erfüllende Prophezeiung meint: „Ein Ereignis tritt deswegen ein, weil eine entsprechende Erwartung bestanden hat.“ Das beste Beispiel dafür ist die Angst vor Prüfungen; die Erwartung, schlecht abzuschneiden, führt oft auch zum Versagen, die Folge - noch mehr Prüfungsangst.

Schön und gut, doch einige der Belege, die beweisen sollen, daß Frauen schon als Kinder zu bestimmtem Rollenverhalten erzogen werden, scheinen mir dann doch aus der Mottenkiste zu stammen. Daß Mütter, zwar ungewollt, Mädchen schneller stillen als Jungen und sie weniger in den Arm nehmen, bezweifle ich; ein Baby trinkt, bis es satt ist, das weiß ich als Mutter - vielleicht trinken Mädchen einfach nur schneller und intensiver, während Jungen träge rumnuckeln und beim Stillen auch noch einschlafen - wäre doch auch eine plausible Erklärung - die widerspräche dann allerdings den schönen Theorien. Auch daß der Kinderspruch „Messer, Gabel, Schere, Licht sind für kleine Kinder nicht“ nun Blockaden auslösen, die der Grund dafür sind, daß „so wenig Hausfrauen wirklich scharfe und damit gut schneidende Messer in der Küche haben“, scheint mir geradezu abwegig, denn der Spruch gilt ja gleichermaßen für Jungen. Kennen die Brasilianer diesen Kinderreim auch? Und werden Koreas Babys in hellblau oder rosa Strampler gesteckt, je nach Geschlecht? In Deutschland ist das jedenfalls schon lange nicht mehr Usus. Und was den später von Männern getragenen „Blaumann“, der nach dieser Version ja das Ergebnis des blauen Stramplers ist, angeht, den tragen nur noch einige Berufsgruppen, die Glaser mögens beispielsweise grün, die Tischler braun! Auch was den festen, breiten Männerschritt und die gradlinigen Schrittchen von Frauen betrifft, ergibt sich doch wohl die Erklärung aus der unterschiedlichen Körperkonstitution der Geschlechter und nicht aus Unterwerfungsverhalten von Frauen. Übrigens sehe ich in meiner Umgebung kaum in eingeengte, luftabschnürende Kleidung gezwängte, auf hohen Absätzen trippelnde Frauen. Nicht mal die Japanerinnen trippeln mehr - weiß ich aus dem Fernsehen. Und meine weiten und dazu noch langen Röcke lassen mich sehr wohl schnell und weitausholend laufen - letztlich gibt's ja auch noch Hosen ... und was die Frage der angeblich immer mehr zunehmenden Berufstätigkeit von Frauen angeht, da können nur die Isländerinnen gemeint sein.

Ach ja, da wird sich Frau Ute bis zu den nächsten geplanten Auflagen ihrer Bücher noch ein wenig am heutigen Erscheinungsbild von Frauen, Männern und Kindern orientieren und etliche Kapitel umschreiben müssen. Wird 'ne harte Arbeit werden, aber: Nur die Harten kommen in den Garten!

Ansonsten ist die Ehrhardtsche Darstellung von etlichen anerzogenen und im weiblichen Unterbewußtsein verankerten Verhaltensnormen wie stete Opfer- oder Hilfsbereitschaft ja ganz okay.

An unterschiedlichsten Fallbeispielen deckt die Psychologin auf, in welchen Situationen, sei es im Privat- oder Berufsleben, Frauen an traditionellen Denkmustern festhalten und sich so selbst in Abhängigkeiten hineinmanövrieren. Dabei hätten sie alle Chancen, gleichberechtigte Partnerinnen von Männern zu werden, wenn sie ihre Kräfte in Selbstbestimmung, eigene Stabilität oder Selbstbehauptung investieren würden. Denn „Frauen, die im Einklang mit sich selbst stehen, haben eine Balance gefunden zwischen ihren Ansprüchen und den Anforderungen ihrer Umgebung“. Manche Frauen, stellt Ute Ehrhardt fest, meinen, daß Unabhängigkeit und Stärke einsam mache. Einer der weitverbreitetsten Trugschlüsse. „Im Gegenteil, erst Unabhängigkeit ermöglicht ein kreatives, entspanntes und offenes Miteinander. Nur wer nicht auf andere angewiesen ist, kann frei entscheiden, mit wem und in welcher Weise er etwas zu tun haben will. Nur selbstbestimmte und unabhängige Menschen können gleichberechtigt miteinander leben.“

In Ihrem „Handbuch“ gibt die Autorin, die auch als Dozentin für berufliche Weiterbildung mit den Schwerpunkten Kommunikation und Optimierung eigener Fähigkeiten tätig ist, dann praktische Ratschläge für fast alle Lebenslagen von Frauen, die bis zur Bewältigung alltäglicher, ja fast banaler Situationen, an der sich hauptsächlich nur Frauen aufreiben, reichten.

Ihr Credo: „Ich möchte Sie unterstützen, eine konfliktfähige, durchsetzungsstarke und lebenslustige Frau zu werden. Mehr nicht - aber auch nicht weniger.“

Ich habe übrigens die im Handbuch angebotenen Tests, die mir sagen, wie emanzipiert ich wirklich bin, mit großem Vergnügen gemacht - und gucke da, das eine oder andere Ergebnis zeigte mir, da könnte ich an meiner „Bösigkeit“ noch arbeiten.

Gut und wichtig der Hinweis, daß niemand seine „Eigenverantwortung am Buchdeckel“ abgeben solle und daß mancher Rat von Frau Ehrhardt „im Einzelfall für eine bestimmte Frau in einer bestimmten Situation falsch sein kann“.

Da drängt sich doch geradezu auf, daß wir unsere eigenen Belange auch selbst darstellen. Na, überhaupt! Danke, Frau Ehrhardt!

Sabine Graßmann


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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