Rezension

 

Oweh lebt - aber nicht mehr lange!

Susanne Fischer/Fanny Müller: Stadt Land Mord
Kriminelle Briefe nachgelassener Frauen.

Edition TIAMAT, Verlag Klaus Bittermann, Berlin 1996, 156 S.

„Mein Mann lebt!“ schreibt eine gewisse Irene Todtenhaupt aus Hahnenhorn in der Lüneburger Heide einer ihr unbekannten Marie-Luise Fleischmann aus Hamburg, die in einem Brief behauptet hatte, ihr verstorbener Ehemann Werner sei identisch mit Otto, dem Ehemann von Frau Irene, die ihren Otto allerdings auf einer Geschäftsreise im südlichen Jemen wähnt.

„Als ich ihn kennenlernte, hielt ich ihn für einen gutaussehenden dunkelhaarigen Gentleman“, trägt Marie-Luise zur Charakterisierung von Werner bei: „Meine Mutter hielt ihn für einen ,Strolch in Schlips und Kragen‘“, später, so gesteht Marie-Luise, habe sie sich dem Urteil einer Kollegin angeschlossen, die ihn als „braungebrannten Schmierlappen“ bezeichnete. „Sollten Sie anhand dieser Informationen Ihren Gatten wiedererkennen, dann bitte ich um eine Antwort“, fügt sie ihrem Brief hinzu.

Ein paar Briefe weiter klären sich einige Irrtümer auf: Die „Mein Mann lebt!“ geschrieben hatte, war gar nicht Frau Irene, sondern ihre betagte Tante Sophie, und was Otto-Werner angeht, so gibt auch Frau Irene zu, daß Otto nun wahrhaftig nicht der Hauptgewinn in der Ehelotterie war, sondern lediglich der Trostpreis. Eines ist den beiden Damen klar, Oweh, wie sie ihn nun nennen, war ein Bigamist und ist mausetot. Und er ist auch nicht im Jemen verschollen, obwohl sich das besser angehört hätte als „In einem Motel in Bartgeheide den Schädel eingeschlagen gekriegt“. Marie-Luise weiß es genau, sie mußte ihn schließlich identifizieren, und sie hat Werners sterbliche Überreste in einer Urne, mehr oder weniger feierlich, in einen See gleiten lassen. Schwiegermutter Kläre, um genau zu sein, sowohl Marie-Luises als auch Irenes gemeinsame, war auch dabei, weilt nun ihrerseits aber mit einem rüstigen Liebhaber bereits wieder in ihrem Winterquartier auf Mal-lorca.

Während Werner Fleischmann ordnungsgemäß tot und bestattet und Marie-Luise bereits in den Genuß einer hübschen Summe aus der Lebensversicherung gekommen ist, muß Irene ihren Otto erst einmal als vermißt melden, ehe sie ihn für tot erklären lassen kann, um ebenfalls abzukassieren.

„Haben Sie schon gehört, der Mann von der alten Todtenhaupt ist wieder weg und soll schon lange zwei Kinder in Hildesheim mit einer Stripteasetänzerin haben, vielleicht auch mit zweien ...“, wird beim Dorffriseur über Irene getuschelt. Nicht, daß etwa wer auf den Gedanken käme, sie habe ihren Mann gar umgebracht, deshalb fragt sie bei Marie-Luise sicherheitshalber noch mal nach, ob die beim Abgang von Oweh eventuell nachgeholfen habe ...

„Nein, ich habe nicht“, entgegnet Marie-Luise. „Nicht, daß ich nicht des öfteren darüber nachgedacht hätte, aber den eigenen Gatten um die Ecke zu bringen, lohnt sich beim derzeitigen Stand unserer Rechtsprechung nicht ... Und ihn im Schlaf abstechen oder ein paar Knollenblätterpilze ins Ragout mischen - das kommt doch immer raus und gibt wegen Heimtücke ein paar Jahre mehr. Ich möchte jedenfalls nicht zwanzig Jahre im Knast sitzen, mit nichts weiter zur Unterhaltung als einem Gefangenen-Abo der taz.“

Die beiden Witwen, gerade noch so in den besten Jahren, entdecken während ihres Briefwechsels, daß sie außer Oweh auch einst gemeinsam die Schulbank drückten. Und nun hindert sie nichts mehr, sich hemmungslos über Gott und die Welt und insbesondere die Männer auszulassen. Marie berichtet über das aufregende Großstadtleben mit Hotels und schwedischen männlichen Gästen, Tupperparties und ähnlich lebenswichtige Ereignisse, Irene schildert das muntere Leben der Landleute, die sich ausgiebig auf Schützenfesten tummeln, mit Schrotflinten aufeinander ballern, Geschirr mit Gänse- und Kuhmotiven sammeln und große Bodenvasen benötigen, um darin Korn oder Köhm und ähnlich scharfe Sachen zu verstecken. Und während die beiden so fröhlich dahinplauschen respektive - schreiben, taucht unerwartet Oweh auf - ein Doppelgänger? Was hat die liebeshungrige Seniorin Kläre damit zu tun, was weiß die etwas meschugge Tante Sophie?

Eines ist klar, die nachgelassenen Frauen wollen auch nachgelassen bleiben, und da sie nicht nur einen scharfen Verstand, sondern auch genügend kriminelle Energien besitzen, werden vielversprechende Pläne geschmiedet.

Susanne Fischer, freie Autorin, in Hohne lebend, und Fanny Müller, ebenfalls freie Autorin, in Hamburg zu Hause, haben sich wohl nicht gerade gesucht, dennoch zum Glück gefunden. Dabei herausgekommen ist ein einmaliger Brief-Roman. Ein Krimi-Spaß. Bissig, kritisch, köstlich. Das war wieder ein prima Buch, Frau Fischer und Frau Müller!

Sabine Graßmann


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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