Annotation

Kemp, Friedhelm (Hrsg.):

Deutsche Liebesdichtung. Aus acht Jahrhunderten

Manesse Verlag, Zürich 1996, 922 S.

Die Bibliothek ist keine Taschenbuch-Bibliothek. Dennoch paßt sie in jede Tasche: die „Manesse Bibliothek der Weltliteratur“. Sich und den Lesern zur Freude hat der Zürcher Verlag fünfhundert handgroße Bände aufgelegt. Gefeiert wird das Jubiläum mit dem von Friedhelm Kemp herausgegebenen Band Deutsche Liebesdichtung. Wie in jeder vergleichbaren Anthologie stehen die Minnesänger Hartmann, Wolfram, Walther, Neidhart, Burkhart, Ulrich, Gottfried, Oswald in vorderster Front. „Minne, hohe Sinne sollten din geleite sin“, flöteten sie das Hohelied der Liebe.

Der Leser hört den Wohlklang der Worte, doch es fehlt ihm der rechte Glaube. Den gibt ihm der reichlich aufgelegte Goethe wieder, neben dem der zeitweilige Zeitgenosse Schiller geradezu spärlich aussieht. Wie das letzte der acht Jahrhunderte, aus denen die Verse geholt wurden. Ein bißchen Benn, Brecht, Bachmann machen die Liebeslyrik nicht größer. Auch nicht die Bachmannsche Bemerkung: „Erklär mir, Liebe!“ Die Feststellung sämtlicher Jahrhunderte, die kein Gedicht erklären kann und will, die alle Gedichte aber nie ausklammern. Ist das die Lektion der Edel-Liebes-Gedichte, die Herr Kemp auswählte? Der hat der Poesie eine Plexiglasglocke übergestülpt. Also eher etwas zum Anschauen denn zum Anfassen! Eine Jubiläumsausgabe eben!

Bernd Heimberger


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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