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Großbröhmer, Rainer:

Die Geschichte der preußischen Turnlehrer

Vom Vorturner zum staatlich geprüften Turnlehrer.

Meyer & Meyer Verlag, Aachen, 228 S.

Die Sportwissenschaft hat vor allem in den sechziger Jahren ihre Teildisziplin Sportgeschichte wieder neu entdeckt. Und so sind Untersuchungen wie die von Rainer Großbröhmer, der seine Studie Die Geschichte der preußischen Turnlehrer überschrieb, keinesfalls verstaubt oder wirklichkeitsfremd. Denn das Bild des Turnlehrers, des Sportlehrers, wie wir ihn heute kennen, kann nicht losgelöst betrachtet werden von der Sozialgeschichte des Lehrerberufs in Deutschland - es ist historisch gewachsen und wird, manchmal noch immer, dominiert von überholten Anschauungen. Großbröhmer dazu in seinen einleitenden Worten: „Der praktisch arbeitende Turn - und Sportlehrer hielt den formal wissenschaftlichen Ansprüchen an eine vollakademische Berufsausbildung lange nicht stand. Seine körperliche Arbeit als ein Berufsspezifikum paßte nicht in die akademische, intellektuelle Welt der Philologen und erzeugte oft eine gewisse antiintellektuelle Haltung bei den Turn- und Sportlehrern, die ihnen oft zum Vorwurf gemacht wurde.“

Der Autor hat sich ganz bewußt für seine Untersuchung das preußische Bildungswesen erwählt, weil es - wovon er ausgeht - neben Heeresverwaltung und Zivilverwaltung als „die staatstragende Säule des preußischen Staates charakterisiert worden“ sei und „wesentlich zur Stabilisierung des herrschenden Regierungssystems“ beigetragen habe. Rainer Großbröhmer nennt Schule und Armee als die maßgeblichen, sprichwörtlichen preußischen Tugenden - Pflichtgefühl, Sparsamkeit, Pünktlichkeit, Fleiß und Uneigennützigkeit - beeinflussenden Faktoren. Der Autor weist in seiner Arbeit denn auch eine enge Verflechtung zwischen Erziehungswesen und Militarismus nach, was sich nach seinen Erkenntnissen vor allem auf dem Ausbildungssektor für das Turnwesen im 19. Jahrhundert bemerkbar machte: „... lief doch die Ausbildung zum Turnlehrer für das zivile Unterrichtswesen und zum Instrukteur für das Turnen im Militär parallel, ja sie fand sogar lange Zeit unter einem Dach statt.“

Die Studie belegt, daß der Professionalisierungsprozeß der preußischen Turnlehrer - im Gegensatz zu ihren Kollegen der anderen Unterrichtsfächer - erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann; zu diesem Zeitpunkt fand das Turnen als obligatorisches Unterrichtsfach Aufnahme in die Schulprogramme und damit die staatliche Unterstützung zur Einrichtung von Ausbildungsstätten und -möglichkeiten für Turnlehrer. Doch die Wurzeln des Berufs des Turnlehrers ragen weiter zurück in die Geschichte. Großbröhmer zitiert in seiner Arbeit unter anderem einen Brief von Friedrich Ludwig Jahn, den dieser im September 1817 dem Schuldirektor Straß in Nordhausen auf dessen Bitte um einen geeigneten Turnlehrer schrieb: „Zum künftigen Vorturner kann ich Ihnen mit gutem Gewissen nach reiflicher überlegung Konrad Rumschöttel aus Minden an der Weser vorschlagen ... Er ist an Leib und Seele gesund, hat ein frohes Antlitz, womit er freudig in die Welt blickt. Alle Turner, groß und klein, haben ihn geliebt. Ich werde ihn zu veranlassen suchen, daß er eine Turnfahrt nach Nordhausen macht.“

Klaus M. Fiedler


© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de

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