Eine Rezension von Bernd Heimberger

Leipziger Linie

Hans Reimann. Peter Reimann. Andreas Reimann.
Beschreiben und Bezeichnen.
Aus der Chronik einer Leipziger Künstlerfamilie.
Hrsg. Stadt Leipzig, Leipzig 2000, 128 S.

Hans Peter Andreas Reimann - das ist mehr als eine Person. Das sind drei Personen einer Familie. Hans und Peter und Andreas Reimann - das sind drei Generationen. Sie sind Sachsen. Sie sind Leipziger. Nichts hielt die Reimanns, auf Gedeih und Verderben, am schmutzigen Strand der immer trüber werdenden Pleiße. Auch ein Grund für die Doppelbegabten, weder in Lettern noch Linien, den Glanz der Stadt sonderlich herauszustreichen. Sächsische Leichtigkeit, Leichtsinnigkeit, Leichtfertigkeit verschlugen Reimann d. Ä. und Reimann d. M. ins Nordisch-Preußische. Konkret nach Hamburg und Berlin. Vor dem Schicksal war Reimann d. J. nicht gefeit. Doch der Dichtersammelstätte Prenzlauer Berg hatte die Stunde noch nicht geschlagen. Die Prenzlauer-Berg-Kinder krabbelten noch im Buddelkasten oder dümpelten im Klapperstorchteich. Währenddessen kreierte in der Berliner Mauerstraße „Die gebildete Nation“ - so nannte sich die Wochenendbeilage des „Neuen Deutschland“ - einen Lyriker als Star: Andreas Reimann. Was der sagte, sagte so niemand. Wie der schrieb, so schrieb niemand. Und keiner ahnte, zunächst, daß ein Kind die poetischen Stücke produzierte. Ein Waisenkind, dem die Dramen des Lebens bereits einen Buckel gemacht hatten und das nun als Wunderkind verschrien wurde und war. Experten riefen den Rimbaud der DDR aus. Kollegen erwarteten, daß der Junge der Sprecher seiner Generation wird. Mit dem Abstand des ganzen halben Lebens notierte Andreas Reimann in seiner ernsthaft-flunkernden, vorläufigen Sippen-Story genüßlich: „Ich glaubte nicht an ein Wunder ... Ich war mir gewiß, eines zu sein.“

Der 1946 Geborene ist ein Schreiber, der immer für sich spricht - wem auch immer seine „Lohnschreiberei“ nützte. Zum Beispiel der Musikszene der DDR und der Bühne. So gelassen Opa und Papa auch von der Metropole der Messen ließen, der Nachfahre harrte aus im stickigen, stinkenden Braunkohle-Land. Ob bekennender Lokalpatriot oder nicht - Andreas Reimann hat sich Rechte an den Reimanns erworben. Auch zu „beschreiben und bezeichnen“, wer, was und wie die Reimanns aus Leipzig waren. Um allem Dunklen, Dummen, Dreisten, was zur Sippe bisher hochblubberte, den Abfluß zu sichern, hat Andreas Reimann mit dem Band Aus der Chronik einer Leipziger Künstlerfamilie die Schotten leicht geöffnet. „Der Reimann-Reigen“ ist ein Potpourri der schreibenden Zeichner und zeichnenden Schreiber. Wie sie, jeder auf seine Weise, das nie leichte Leben auf die leichte Schulter nahmen, das ist - vom Verfasser aufgewiegelt - vergnügten Sinnes anzusehen. Vom Familien-Geschichts-Schreiber zu verlangen, daß er seine Liebe zu Großvater und Vater bekennt, heißt, zuviel zu verlangen. Großmutter Thea, daraus wird kein Geheimnis gemacht, gehörte die Liebe des Jungen. Großmutter zu Liebe - und zur Ehre! - droht der Langzeit-Leipziger Andreas Reimann: „Ich vorbehalte es mir, in einer umfangreicheren Chronik der Familie Reimann und deren aberwitzigen Verstrickungen Näheres kundzutun, sobald es mir mein Kontostand erlaubt, mal ein Jahr lang an einer Sache zu arbeiten.“ Ob die Stadt das hört? Und investiert? Gott geb's, daß Andreas Reimann sein Versprechen nicht verschlampt!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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