Eine Rezension von Bernd Heimberger

Stichworte zur Sache

Richard Reid: Baustilkunde. 3 500 Bauten aus der alten und neuen Welt.
Alle Epochen und Stile in über 1 700 Zeichnungen.
E. A. Seemann Verlag, Leipzig 2000, 432 S.

Ein Buch mit Gebrauchsanweisung! O je! Die Blockade beginnt. Lesen oder Nichtlesen ist die Frage. Wider besseren Wissens wird ... und wie gehabt scheitert der Versuch. Am Schluß der Bemerkungen zur Buchbenutzung der Hinweis: „Mit der Hilfe des Registers ab Seite 420 können Sie die erwähnten Orte und Bauwerke finden.“ Könnten wäre korrekter. Das Register, das Richard Reids ‚Baustilkunde‘ angehängt wurde, ist das Kleingedruckte, kleinstgedruckt.

Auf gut neun Seiten sind 3 500 Bauten aus der alten und neuen Welt aufgelistet. Also, nächstes Manko? - nicht der ganzen weiten Welt. Wer das Register zu Rate zieht - wer möchte nicht? - , dem ist zu raten, zwischen Buch und Brille die Lupe zu schwenken.

Der Band ist nicht nur, was wörtlich zu nehmen ist, bis zum Buchrand voll. Er läuft über. Als Ratgeber gedacht, macht Reids „Baustilkunde“ selbst Gutwillige mutlos. Nicht, weil Buchwegweiser und Register holprige Strecken sind, sondern - weil Gesuchtes und Gefundenes meist nicht viel bringt. Was erfahren Wißbegierige von Schinkel und seinen Werken in Berlin, wenn sie lesen, was, auf zehn Zeilen zusammengestutzt, zu Schinkel plus Werk plus Berlin geäußert wird? Freundlich formuliert, könnten die Annotationen des Buches als Kürzel zur Architekturgeschichte gesehen werden. Ehrlicher: Die Sätze sind Stichworte zur Sache. Ausführungen anderswo! Außerhalb der „Baustilkunde“.

Zu behaupten, das Werk ist was für Wissende, werden sich Wissende verbeten. Vielleicht stellen sie statt dessen mit Schadenfreude fest, wie gut sich Neu-Deutschland in den vier Ländern Ost-, Nord-, Mittel- und Süddeutschland einrichten ließe. Wie es kommt, daß das Gebiet zwischen Köln und Kassel, Saar und Münster zu Mitteldeutschland mutiert, beantwortet auch die eingebundene Landkarte nicht. Da im Text-Bild-Teil aus Mittel- wieder Westdeutschland wird, scheint alles in alter Ordnung. Oder? Garantiert hat Deutschland vier Himmelsrichtungen, und der Band „Baustilkunde“ ist kein taschengerechtes Handbuch für Reisende. Es ist zu schwer, um es herumzuschleppen. Es ist zu schwierig auf Straßen und Plätzen zu handhaben. Reisenden wird’s nicht reichen, was der Band bietet, zumal jeder gute Stadt-Land-Reiseführer mit ausführlicheren Auskünften zu den bewunderten, berühmten Bauten aufwartet.

Für wen dann der ganze Aufwand des Buches? Für die Fans, die „Focus“ lesen? Für wen denn sonst?


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

zurück zur vorherigen Seite