Eine Rezension von Bernd Heimberger

Privatheit von Personen

Konrad Rufus Müller: Terra cognita
Gerhard Steidl Verlag, Göttingen 2000

Alles läßt sich vereinfachen. Vereinfacht gesagt: Konrad Rufus Müller ist der Kanzler-Fotograf! So selbstverständlich ist das nicht. Und nichts ist einfach möglich geworden für den Mann, der die deutschen Kanzler von Adenauer bis Schröder fotografierte. Müllers Kanzler-Bilder sind Persönlichkeits-Bildnisse. Prominenz und Persönlichkeit sind für den Foto-Künstler nicht identisch. Persönlichkeit macht das Persönliche aus, das der Mensch ist und inszeniert, zeigt und verbirgt. Jeder Mensch inszeniert sich. Also inszeniert auch der Porträtist die Menschen. Am besten porträtiert Müller die Privatheit der Prominenten. Das Private respektierend, haben die „photographischen Porträts“ des Konrad Rufus Müller jene Intimität der Würde des Menschen, von der es heißt, daß sie unantastbar ist. Müller zeigt die menschliche Würde der von ihm porträtierten Personen. Der Landleute, der Kanzler, Künstler wie Präsidenten - von Mitterrand bis Sadat. Müller macht mit der Photo-Kamera Foto-Gemälde möglich. Nicht nur der Beobachter von Motiven und Modellen, ist er auch nicht an der bloßen Kopie der Motive und Modelle interessiert. Dem achtsamen Begleiter der Porträtierten geht's um die innere Bewegung, die am Äußeren erkennt, wer erkennen kann. Müller ist der Erkenner der Bewegung, die die innere Ruhe ausmacht und im Äußeren schwer sichtbar zu machen ist. Dem Künstler ist Fotopapier die Leinwand, die er in keinem Zentimeter ungenutzt läßt. Konrad Rufus Müller sieht und zeigt Ungesehenes. Seine Foto-Gemälde können als Foto-Kompositionen von Landschaften betrachtet werden. Landschaften sind Wohn- und Arbeitsräume. Landschaften sind Gesichter, Haare, Hände, Körper. Landschaften, die uns bekannt scheinen. Zumindest so lange, solange wir keine Bilder von Müller gesehen haben. Bilder, wie sie für den Band Terra cognita ausgewählt wurden. Der Künstler hat Achtung und deshalb keine Angst vor dem unbekannten Wesen Mensch, dem er sich bedachtsam nähert. Dem Menschen-Begleiter und Menschen-Bildnis-Bildner Müller ist abzunehmen, daß er mit seinen Bild-Werken näher an den Menschen dran war, als jene beliebigen Abbildungen, die der Welt täglich aufgedrängt wurden und werden. Keine Zeitungs-Fotos, sind die Müller-Bilder da für alle Zeit. „Menschen mit der Kamera lächerlich zu machen ist leicht“, hat der Künstler gesagt. Er macht sich nichts leicht. Nichts ist für ihn einfach, so leicht und einfach auch vieles aussieht.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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