Eine Rezension von Horst Wagner

Das Fischer Lexikon: Personen der Gegenwart
Biographien aus Politik, Wirtschaft und Kultur von 1945 bis heute.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 2000, 416 S.

Seit Gründung der Vereinten Nationen 1945 ist allein die Zahl ihrer Mitglieder von 51 auf 189 gestiegen. Neue Staaten, neue Akteure treten fast ständig hervor. Um sich hier schnell zu orientieren, hat sich seit langem der jährlich erscheinende Fischer Weltalmanach hervorragend bewährt und ist das nun vorliegende Fischer Lexikon Personen der Gegenwart mit seinen über 1 200 Kurzbiographien und zahlreichen Porträtfotos eine notwendige, leicht zu handhabende und nicht zuletzt auch preiswerte Ergänzung. Auf dem Titel finden sich mit der burmesischen Bürgerrechtlerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, dem iranischen Staatspräsidenten Khatami, dem südafrikanischen Freiheitskämpfer und Präsidenten Nelson Mandela, der CDU-Politikerin Angela Merkel sowie Literaturnobelpreisträger Günter Grass und Microsoft-Manager Bill Gates vier Politikerinnen bzw. Politiker, ein Schriftsteller und ein erfolgreicher Unternehmer, was in etwa schon die Auswahlprinzipien für die „Personen der Gegenwart“ deutlich macht: Schwergewicht wurde auf die Akteure der Politik und bei diesen auf die in jüngster Zeit Hervorgetretenen gelegt. Es fanden aber auch Personen Aufnahme, die, wie es im Vorwort heißt, „als Schriftsteller, Künstler oder Unternehmer politisch wirken oder von Bedeutung waren“. Frauen machen etwa ein Viertel der Ausgewählten aus. Nord und Süd im Sinne von Industriestaaten und Entwicklungsländern sind etwa ebenso gleichberechtigt vertreten wie West und Ost; letzteres auch hinsichtlich der deutschen Verhältnisse. So findet man gleich hinter dem derzeitigen bundesdeutschen Außenminister Fischer, Joseph (Joschka), den ehemaligen DDR-Außenminister Fischer, Oskar.

Insgesamt reichen die Einträge von „Aartsen“ (niederländischer Außenminister seit 1998) bis „Zubak“, der von 1996 bis 1998 bosnisches Staatsoberhaupt war. Unter dem Buchstaben A finden sich neben 33 Politikern (darunter Bundeskanzler Adenauer ebenso wie der kurzzeitige KPdSU-Generalsekretär Andropow, UNO-Generalsekretär Annan wie Palästinenserführer Arafat) mit dem deutschen Bankier Abs und dem Fiat-Präsidenten Agnelli zwei Vertreter der Wirtschaft, mit dem Deutschen Augstein und dem Israeli Avneri zwei Schriftsteller bzw. Publizisten sowie mit Hannah Arendt auch eine Philosophin und Politikwissenschaftlerin.

Natürlich ist die Auswahl bei Lexika immer ein „schwierig Ding“. Aber manche Lücken scheinen mir doch bedauerlich. So erfreulich es ist, daß man Näheres über den jüngst wegen seiner veröffentlichten Tagebücher wieder verstärkt ins Gespräch gekommenen, 1949 verstorbenen Georgi Dimitrow (hier so anstelle der sonst üblichen Schreibweise mit ff) erfahren kann, so unverständlich ist es, daß man nach dem größten Naturwissenschaftler des 20. Jahrhunderts und zeit seines Lebens auch politisch aktiven Albert Einstein (1879-1955) vergebens suchen muß. Überhaupt sind Wissenschaftler und Erfinder absolut unterrepräsentiert in diesem Lexikon. Ähnlich schlecht ergeht es den bildenden Künstlern. Nicht einmal die auch politisch wirksamen Beuys oder Rivera sind vertreten. Etwas besser haben es die Schriftsteller. Hier finden sich Vertreter aller Kontinente, aus Deutschland natürlich auch Böll und Grass. Wobei allerdings Anna Seghers, Christa Wolf oder Stefan Heym fehlen. Doch wie gesagt: Auswahl ist ein schwierig Ding und die Konzentration auf die „hauptamtlichen“ Politiker war offenbar beabsichtigt und ist als Ergänzung zum Weltalmanach auch verständlich.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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