Eine Rezension von Bernd Heimberger

Drin in Deutschland

Hasso Düvel/Herbert Scheibe/Tatjana Stoll (Hrsg.): Aufbau Ost
Notwendiges Übel oder Investition in die Zukunft.
Gerhard Steidl Verlag, Göttingen 2000, 218 S.

Wo DDR war, dauert der Umbau an. Das Werden Deutschlands braucht Entwicklungen in Deutschland. Alle hätten das wissen müssen. Alle Alt-Bundesbürger zumindest. Alle, die mit angesehen haben, wie Österreich sich allmählich aufrappelte, nachdem das Land 1955 seinen einigenden Staatsvertrag bekommen hatte. Wer die Augen offenhielt, hat gesehen, daß die Angleichung Österreichs an die Bundesrepublik zwei Jahrzehnte dauerte. Geht’s um Angleichung, wenn es um das geht, was heute Ost-Deutschland ist und vor der Teilung Mitteldeutschland. Was bedeutet Angleichung im industriellen infrastrukturellen, urbanen Bereich? Was Angleichung im sozialen, kulturellen, finanziellen Bereich? Oder geht’s ohnehin nie um Angleichung, sondern um das Vergleichbare? Also um „vergleichbare Lebensverhältnisse“. Ist von „Aufbau Ost“ die Rede, geht’s um das Vergleichbare, um jenen Wettbewerb, der Jahrzehnte in der alten Bundesrepublik üblich war. Seit die Aktion Aufbau Ost in Gang gesetzt ist, wird geredet, was geredet werden kann. Auf Konferenzen und in Kolumnen. Und wo sich zwischen Konferenzen und Kolumnen die Gelegenheit bietet. Reden Minister, Staatssekretäre, Wissenschaftler, Industrielle, Gewerkschafter, Journalisten recht ausdauernd, kommt’s schon mal vor, daß sie ein Ei legen, sprich der Nachwelt ein Buch hinterlassen mit dem Inhalt ihrer rhetorischen Bemühungen. Faule Eier, meist! Wozu das? Eine der verbindlich-unverbindlichen Antworten kommt in dem Band „Aufbau Ost“, der das Ergebnis zweier Konferenzen ist, von dem Gewerkschaftsmann Hasso Düvel. Ziel sämtlicher Diskurse soll sein, „das Thema ‚Aufbau Ostdeutschlands‘ stärker in den Mittelpunkt zu rücken“. Was garantiert ist, wenn wiederholt und wiederholt Wiederholungen auf Wiederholungen folgen? Die Publikation verlängert die Liste der Publikationen zum Thema. Selbst wenn ein Journalist einen Industriellen bittet, „aus der Sicht des Machers etwas zur Lage der Wirtschaft in Ostdeutschland zu sagen“, dann gibt’s auch nichts anderes als das trockene Brot der Rhetorik. Die Minderheit der Macher spricht sich mehr oder weniger laut gegen Abhängigkeit von politischen Rahmenbedingungen, Bürokratismus und Gewerkschaftslobbyismus aus. Stört ja niemand, zumal Gewerkschaft, Bürokratie, Politik die Richtlinien des Aufbaus Ost in Griff halten. Fest. Deshalb ist alles wie und was es ist. Trotzdem: Mit einem Bein ist in Deutschland bereits drin, was mal DDR war.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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