Eine Rezension von Bernd Heimberger

Passende Paare ?

Joachim Campe: Die Liebe, der Zufall und das Paar
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001, 258 Seiten

Irgendwann verliert jedes Thema den Status des Tabu. Homosexualität hat längst die Unschuld der Unberührbarkeit verloren. Indirekt und undeutlich, direkt und deutlich war Homosexualität stets ein Thema der Literatur. Nichts Neues also bei Joachim Campe, der in seinem Essayband Die Liebe, der Zufall und das Paar über homosexuelle Literatur „herzieht“ Campe kreist sein Thema ein, indem er einen Kreis zieht um das, was die Paar-Beziehung zwischen Mann und Mann ausmacht. Also alles, was auf das seit der Antike überlieferte Muster der Schüler-Meister-Beziehung hinweist. Um nicht vagen Vermutungen Vorschub zu leisten, hat sich der Verfasser in separaten Kapiteln mit Leben und Literatur von Wilde, Gide, Forster, Cocteau, Isherwood und Auden beschäftigt. Campe nutzt die Lebensgeschichten, um von den individuellen Obsessionen der Autoren und deren Einfluß auf die Literatur-Geschichte zu berichten. Verkürzt, doch zutreffend, ist zu sagen, daß wieder und wieder von Verführern und Verführten gesprochen wird, die Gemeinsamkeit und Gemeinschaft verraten, sobald sie das Männlich-Schöne fortreißt wie ein Sog. Was, um ein besonderes Beispiel der Verwirrung und Verirrung zu nennen, dazu führte, daß Cocteau / Marais die nötige Distanz zu den deutschen Besatzern in Paris verloren. Beweisführend und gelegentlich ein bißchen vermutend macht Campe deutlich, welche Folgen gesuchte, gelebte, gelöste Partnerschaft für Autoren und Autorenschaft hat. Weil der Essayist wiederholt vom „Paar auf Zeit“ reden muß, leistet er sich wiederholt Schlußfolgerungen, die verallgemeinern und durch die Wirklichkeit vieler Mann-Mann-Beziehungen bestätigt werden. Campe schreibt: „Das Paar auf Zeit scheint eine eigene Form von Dauer zu haben.“ Was die Dauer über Zeiten ausmacht, sagt einiges über Liebe und Freundschaft des männlichen Paars, das erst jetzt Thema exakter Betrachtung, Bewertung, Beurteilung wird. Insofern ist auch Joachim Campes Publikation Teil der Pionierarbeit, die es fortzusetzen gilt, ohne sie inflationär werden zu lassen. Das Thema ist zu wichtig, um es zu vertratschen und zu verquatschen. Joachim Campe sei davor! Seine Worte sind auch Widerworte, die simplifizierende Scharlatane in die Schranken weisen, wo immer sie auftreten.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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