Eine Rezension von Helmut Hirsch

Ein hartgeprüftes Leben

Benvenuto Cellini: Mein Leben
Die Autobiographie eines Künstlers aus der Renaissance.
Übersetzung aus dem Italienischen und Nachwort von Jacques Laager.
Manesse Verlag, Zürich 2000, 783 S.

Goethe war es, der seine Lebensgeschichte entdeckt und übersetzt hatte. Das „Weltkind Cellini“ galt ihm als ein „Anhaltepunkt der Geschichte des sechzehnten Jahrhunderts“. Zwar gehörte Cellini „schon mehr einer wilden, zerstreuten Welt an“, doch fand Goethe Gefallen an dieser Vita, in der der Italiener, Bildhauer und Goldschmied der Renaissance mit Entzücken von seiner Arbeit berichtete. Sich später seiner Italienerlebnisse erinnernd, gesteht der Weimarer aber auch, daß er bei seiner Übersetzungsarbeit Pein litt. Und bedauert, bei seinem Aufenthalt in Florenz die Zeit nicht besser genutzt zu haben, weil er sich „von der Kunst neuerer Zeit nicht ein eindringlicheres Anschauen verschafft hatte“.

Wer heute nach Florenz kommt, über den Ponte vecchio geht, sieht nicht nur die prallgefüllten Schaufenster der Goldschmiede, der Nachfahren Cellinis also, er stolpert auch auf der Mitte der Brücke regelrecht über das Bronzeporträt des großen italienischen Künstlers. Die Erstausgabe der in den Jahren 1558 – 1566 entstandenen Autobiographie von Benvenuto Cellini erschien nach einer an manchen Stellen vom Original abweichenden, heute verschollenen Abschrift im Jahr 1728. Diese Version bildete die Grundlage der Übersetzung ins Englische, der sich Goethe, dessen Buchausgabe 1803 erschien, bedient hatte. Die hier vorgelegte neuere Übersetzung gilt als authentischere Version und beruft sich auf die erste kritische Ausgabe von Orazio Bacci (Florenz 1901).

„Mein hartgeprüftes Leben schreib' ich hier“, so beginnt, ganz poetisch in Sonettform, Cellinis Autobiographie. Damit ist sein Hauptthema genannt. Ein kreatives, aber schweres, und ein abenteuerliches Leben. Wegen heftiger Rivalitätsstreitereien wird Cellini zweimal eingekerkert. Was heute eher seltener ist, Cellini besaß einen großen künstlerischen Ehrgeiz. Seine Rivalen (Kollegen der Zunft, Goldschmiede wie Bildhauer) wollte er übertreffen und die Größe der Meister der Antike und der jüngsten großen Vergangenheit in Italien erreichen. Neben Donatello und Michelangelo wollte er bestehen. Die Aufstellung seiner kolossalen Perseus-Skulptur in Florenz - neben Donatellos und Michelangelos David - geriet zum Skandal. Ein Mann, der vor Selbstbewußtsein strotzte, wurde zurückgedrängt. Aber er konnte auch was. Der aus einfachen Kreisen stammende Cellini wurde Goldschmiede-Künstler von Päpsten, Herzogen und eines Königs. Nicht alle goutierten immer sofort seine Arbeiten und sein Temperament. Der heutige Italienreisende stößt in vielen Städten auf bedeutende Kulturdokumente, die auch Cellini inspirierten. In Pisa zum Beispiel durchstreifte der junge Cellini den Campo Santo, in der markanten Engelsburg in Rom hingegen verbrachte er unfreiwillige Kerkerjahre. War der Papst gerade nicht in Rom, verhandelte Cellini mit einem Kardinal über einen neuen Auftrag. Von Kardinal Salviati weiß er vor allem zu berichten: „Diese Bestie von Kardinal.“ Der Zwist um die Perseus-Skulptur bringt eine Zäsur in dieses Leben. Kaum noch mit Aufträgen versorgt, beginnt Cellini 1558 mit der Niederschrift seiner Vita. Darin zählt er minutiös all jene auf, die seiner Arbeit ungeteilte Wertschätzung entgegenbrachten. Daneben erwähnt er die „Bösewichter“, schließlich wird den eigenen Werken, von denen einige im Buch abgebildet sind, ausführliche Darstellung zuteil. Immer wieder kommt sein unbändiger Charakter zum Vorschein, er schreibt vital und direkt, wortgewaltig und kritisch. Doch er zeigt, was bei Talenten nicht selten vorzukommen pflegt, ein übergroßes Maß an Ehrgeiz, kräftiges Durchhaltevermögen, leider aber auch eine nicht geringe Dosis von mokanter Besserwisserei. Und das auf fast allen Gebieten. Sein unbedingter Wunsch, noch besser als die Großen zu sein, hat ihm zeitlebens Kritiker und Feinde genug eingebracht. Manche haben sein gesteigertes Temperament, seine bedingungslose Egozentrik gar als pathologisch verschrien. Eine ambivalente Existenz. Er kannte Haß und Rachegefühle gegen seine streitbaren Antipoden. Zugleich prägte ihn ein Hang zu Mystik, Glaubensfanatismus und der Drang, Notleidenden zu helfen. Wie schon zu Beginn seines Buches angekündigt, ist die Überfülle der Klagen, der Querelen mit Beamten und Neidern in dieser forcierten Darstellung nicht immer mit Genuß zu lesen. Verbittert über ausbleibende Zahlungen und in Sorge um seine Nachkommen ist dieser an Talenten reiche Mann immer wieder damit beschäftigt, den Verlust seiner besten Jahre wortreich zu beklagen. Was den Leser, der sich nicht ohne Mühe durch diese eigenwillige Vita gearbeitet hat, belohnt, das ist der pulsierend-lebendige Stil der Darstellung, dem Umstand zu verdanken, daß der Text eher gesprochene als geschriebene Sprache ist. Denn Cellini diktierte in seiner Werkstatt den größten Teil seiner Lebensgeschichte. Dieses Buch ist pralles Leben aus dem Zeitalter der Renaissance. Allen Italienfreunden eine erfrischende Quelle intensiv gelebten kulturellen Lebens.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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