Eine Rezension von Bernd Heimberger

Variationen der Venus

Yorick Blumenfeld: Erwin Blumenfeld
Erotische Fotografien.
E. A. Seemann Verlag, Leipzig 2000, 144 S.

Vielleicht ist kein Titel unerotischer als der Titel „Erotische Fotografien“. Vielleicht ist kein Foto erotischer als das vom Fotografen, der sich selbst fotografierte: Mit dem Apparat vor dem „Apparat“. Das Selbstporträt und eine Aktstudie eines amerikanischen Paares sind die einzigen bekannt gewordenen männlichen Aktaufnahmen des 1897 geborenen Fotokünstlers Erwin Blumenfeld. Zehnjährig, begann der Berliner zu fotografieren. Bekannt wurde er der Welt als Modefotograf. Blumenfeld hatte eine Ambition. Er wäre gern Maler geworden. Blumenfeld hatte eine Begabung und eine Obsession. Als begabter Lichtbildner war er ein Verehrer weiblicher Schönheit. Als Fotograf inszenierte er das Schöne des Weiblichen schön. Seine Bilder sind foto-grafische Variationen der Venus von Milo. Also kalkulierte Kunstwerke, die nicht des Modells, sondern der Kunst wegen da sind. Das Unbestimmte, Unbestimmbare, Unerwartete, Unerreichbare, das der Erotik eigen ist - oder sein sollte? - ist nicht das Bestimmende in Blumenfelds Bildern. Der Fotograf war nicht aufs spontane, zufällige Entdecken aus. Das Entdeckte mittels ausgeklügelter Arrangements neu zu entdecken machte die Fotokunst des Erwin Blumenfeld aus und somit die Kunst seiner Werke. Der Ehrgeiz des Fotografen war es, die Linien des Körpers zu zeigen, die gleichzeitig kontrastieren und harmonisieren. Die Fotografien sind Synthesen eines Sehers. Blumenfeld war ein Virtuose im Kombinieren von Licht und Schatten, des Komponierens von Positiv und Negativ. Die Versiertheit, die das Vollkommene will, läßt dem Ursprünglich-Überraschenden wenig Chancen, in dem soviel vom Erotischen steckt. Da wir als Erotiker so unterschiedlich sind, wie wir das als Menschen sind, wird jeder die eine oder andere Begegnung der erotischen Art beim Betrachten der Bilder des Erwin Blumenfeld haben. Weil dem Mann der Lebenswunsch versagt blieb, ein Gebärender zu sein, hat er lebenslang weibliche Geschöpfe geboren: Akt für Akt!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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