Eine Rezension von Bernd Heimberger
Widerstehen der Würdelosigkeit
Till Bastian: Homosexuelle im Dritten Reich
Geschichte einer Verfolgung.
C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, München 2000, 102 S.
Mit dem Anspruch, Moral und Sitte wie einen Augapfel zu hüten, wurden schon immer moralische und seelische Morde gerechtfertigt. Der selbstherrliche Moral- und Sittenwächter, Reichsführer SS Heinrich Himmler, war einer der erbittertsten Verfolger Homosexueller. Nach der von ihm veranlaßten Gründung der „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung“ folgte dem moralischen, seelischen Mord auch die physische Vernichtung Homosexueller. Die Verfolgung, KZ-Internierung und Ermordung von Schwulen ist unverändert ein Thema untergeordneter Bedeutung. Selbst die von dem Sexualwissenschaftler Günter Graus besorgte dokumentarische Darstellung der „Politik gegen die Homosexuellen“ ist ohne die erforderliche Beachtung geblieben. Gemäß des Prinzips, steter Tropfen höhlt den Stein, ist abermals eine schmale Publikation zur Sache erschienen. Till Bastian, der Autor von „Homosexuelle im Dritten Reich“, hat schon einiges zur Un-Kultur der deutschen Kulturnation veröffentlicht. Der wissenschaftlichen Strenge Graus' entgegengesetzt, ist Bastians Darstellung von jener populären Art, die Jedermannfrau als Zuhörer gewinnen will. Bekannte, „skandalöse“ Geschichten der Denunziation, Anprangerung und Verfolgung Homosexueller - während eines Jahrhunderts - sind mehr als bloße Sachbuch-Information. Keine pamphletische Streitschrift, ist die Publikation eine anschauliche Aufklärungsschrift, die kein Historiker mit dem Ansatz eines analytischen Wissenschaftlers verfaßte. Till Bastian verstärkt den Widerstand gegen jene würdelose Geisteshaltung, die Angriffe gegen Homosexuelle - gestern wie heute - gleichgültig und gleichmütig hinnimmt. Auch Gleichgültigkeit macht zum Täter, der Mittäter ist.
Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de
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