Eine Annotation von Horst Wagner

cover Hartmann, Ralph:
Die glorreichen Sieger
Die Wende in Belgrad und die wundersame Ehrenrettung deutscher Angriffskrieger.
Karl Dietz Verlag Berlin, Berlin 2001, 256 S.

Ralph Hartmann war von 1982 bis 1990 Botschafter der DDR in Belgrad und kann als ausgezeichneter Kenner Jugoslawiens, seiner Geschichte sowie seiner ethnischen und politischen Verhältnisse gelten. Auch nach seiner zwangsweisen Verabschiedung aus dem diplomatischen Dienst hat er die Entwicklung in seinem, unter Tito zu hohem internationalen Ansehen gelangten, langjährigen Gastland aufmerksam und angesichts dessen Zerfalls schmerzvoll verfolgt. Seit Jahren betrachtet er äußerst kritisch die Politik, welche die größer gewordene Bundesrepublik gegenüber Jugoslawien bzw. seinen Nachfolgestaaten betreibt. Große Aufmerksamkeit fand seine zum Bestseller gewordene Studie Die ehrlichen Makler. Die deutsche Außenpolitik und der Bürgerkrieg in Jugoslawien, deren inzwischen erschienene vierte aktualisierte Auflage bis in die Tage nach dem NATO-Überfall auf Rest-Jugoslawien führt. Anlaß für sein neues Buch Die glorreichen Sieger, das als Fortsetzung von Die ehrlichen Makler zu verstehen ist, war, wie der Europa-Abgeordnete Hans Modrow im Vorwort bemerkt, „der Jubel in Berlin über den politischen Machtwechsel im Oktober 2000 in Belgrad und dessen Umdeutung in eine nachträgliche Legitimation des Angriffskrieges“.

Hartmann erinnert noch einmal daran, daß mit der Teilnahme von deutschen „Tornados“ in der ersten NATO-Angriffsstaffel, 58 Jahre nachdem die deutsche Wehrmacht Jugoslawien schon einmal überfallen und verwüstet hatte, erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder Krieg von deutschem Boden ausging. Ausführlich setzt er sich mit den unbewiesenen Behauptungen, den Verdrehungen und Lügen - wie der einer angeblichen ethnischen Vertreibung der Kosovo-Albaner oder des „Massakers von Racak“ - auseinander, die dazu dienen sollten, die bundesdeutsche Beteiligung am NATO-Kampfeinsatz zu rechtfertigen. Von besonderem Interesse dürfte dabei die Wiedergabe des tatsächlichen Wortlautes der vielgescholtenen, aber bisher kaum oder falsch zitierten Amselfeld-Rede von Milosevic sein, die als Beweis für „verbrecherische Groß-Serbien-Pläne“ dienen sollte. Detailliert listet Hartmann den Anteil deutscher Streitkräfte am NATO-Krieg auf und zieht eine erschreckende Bilanz des Schadens, der dem serbischen Volk zugefügt wurde. Gleichzeitig weist er nach, daß die NATO auf dem Balkan keinen Sieg, sondern - nimmt man die eingesetzten Mittel zum Vergleich - eine Schlappe erlitten hat, da es ihr weder gelang, die jugoslawische Armee zu zerschlagen, noch Milosevic zum Aufgeben zu zwingen.

Im abschließenden Kapitel untersucht er die Nachkriegspolitik der Berliner Regierung und ihrer Verbündeten, die u. a. durch die Verweigerung jeglicher Wiederaufbauhilfe und die allseitige Unterstützung der oppositionellen Kräfte darauf gerichtet gewesen sei, das - angeblich - „letzte kommunistische Regime in Europa“ zu beseitigen. Zugleich weist er nach, daß die politische Wende in Belgrad vom Herbst 2000 nicht durch, sondern, wie der neue Präsident Kostunica erklärte, „trotz der NATO-Bomben“ erreicht wurde. Vorangetrieben aber sei die weitere Verwandlung der Bundeswehr in eine „global agierende Interventionsarmee“ worden. Hartmanns Schlußfolgerung bzw. Wunsch lautet dagegen: „Deutschland spielte eine Schlüsselrolle beim Schüren innerjugoslawischer Konflikte, bei der Zerschlagung der früheren jugoslawischen Föderation, der Vorbereitung und Durchführung des barbarischen Luftkrieges. Es hat die Chance, Wegbereiter für den Versuch zu sein, eigenes und das Schuldkonto der NATO gegenüber Jugoslawien abzubauen.“ Nicht jedem Leser wird die Sicht Hartmanns gefallen, aber er wird doch gezwungen sein, sich mit den von ihm vorgetragenen Fakten und Zusammenhängen auseinanderzusetzen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08/01 (Internetausgabe) (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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