Eine Rezension von Helmut Caspar

Geheimes Staatsarchiv gar nicht geheim

Jürgen Kloosterhuis/Iselin Gundermann (Hrsg.):
Archivarbeit für Preußen
Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz.
Arbeitsberichte Bd. 2.
Selbstverlag des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz,
Berlin 2000, 490 S.

Der Band enthält Materialien eines Symposiums, das die Preußische Historische Kommission und das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz 1998 anläßlich der Begründung der Archivarbeit in Brandenburg vor 400 Jahren veranstaltet haben. Neben Beiträgen über die Rechtsgrundlagen des Geheimen Staatsarchivs (Norbert Zimmermann), die Baugeschichte und -probleme des gar nicht so geheimen, weil öffentlich zugänglichen Archivs (Reinhart Strecke) enthält der Band auch Texte über die Acta Borussica als wissenschaftlicher Großbetrieb im Kaiserreich und das Beziehungsgeflecht Gustav Schmollers (Wolfgang Neugebauer), die Feldzüge Friedrichs des Großen in der amtlichen Kriegsgeschichtsschreibung (Bernhard R. Kroener), den Quelleneditor und Monumentalbiographen Georg Heinrich Pertz (Hans-Christof Kraus), die Rolle historischer Dokumente im politischen Tageskampf (Bernd Sösemann), den Briefwechsel zwischen dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. und dem 1861 auf den Thron gelangten Wilhelm I. (Iselin Gundermann) oder über die Probleme einer Edition der Schriften des Militärreformers Scharnhorst (Michael Sikora). Interesse verdient der Band auch durch einen Abdruck von zwei Augenzeugenberichten über die „Stunde Null“ im Preußischen Geheimen Staatsarchiv im April und Mai 1945, die von Eckart Henning als kleines Kapitel der noch ungeschriebenen Gesamtgeschichte dieser Forschungsstätte zur brandenburgisch-preußischen Geschichte gewertet werden.

In dem Sammelband findet man überdies eine umfangreiche Auflistung der Bestände durch Archivdirektor Jürgen Kloosterhuis. Er bietet in der Tradition der Kurzübersichten des Geheimen Staatsarchivs von 1934- 1936 sowie 1966/67 erstmals nach der Zusammenführung der getrennt in Merseburg und Dahlem verwahrten Archivalien am alten Standort in Berlin eine chronologisch-systematisch gegliederte Zusammenstellung aller Bestände, Nachlässe und Sammlungen der 20 Hauptabteilungen des Archivs. Diese Tektonik erleichtert dem Benutzer zweifellos den Zugang zu den Archivalien, die eine Länge von 35 000 laufenden Metern haben. Mit dem Buch kann man sich vorab informieren, ob und wo interessierende Unterlagen vorhanden sind, unter welchen Signaturen die schriftlichen Hinterlassenschaften gekrönter Häupter und der Mitglieder des Herrscherhauses sowie von Ministern und anderen Persönlichkeiten, ferner Akten über das Militär und die Wirtschaftsverwaltung, über kulturelle und wissenschaftliche Einrichtungen und ähnliches zu finden sind. In der Auflistung sind auch die Akten der Geheimen Räte, Ministerien, Direktorien und Departements mit ihren Nummern verzeichnet, daneben findet man auch Hinweise über die Standorte von Akten über Kaiserwahlen, auswärtige Politik, Staatsverträge, Rechtsprechung, religiöse Angelegenheiten oder auch Reichsdeputations- und Münztage, um nur die Bandbreite der Archivalien anzudeuten. Jürgen Kloosterhuis weist darauf hin, daß die hier vorgelegte Tektonik, also gleichsam die innere Architektur des Dahlemer Archivs, nichts über die Benutzbarkeit der Archivalien mit Blick auf ihren Erhaltungszustand oder den Schutz von Persönlichkeitsrechten aussagt. Im Einzelfall müssen entsprechende Fragen vor Ort geklärt werden. Insgesamt wolle die hier zur Diskussion gestellte Gliederung das Staatsarchiv transparenter machen und den Benutzer schon im Vorfeld eines Archivbesuchs den Zugang zu den ihn interessierenden Quellen erleichtern. In der Perspektive soll die Tektonik das Fundament für eine Kurzübersicht legen, die alle Bestände, Nachlässe und Sammlungen des Geheimen Staatsarchivs dann „nur“ noch inhaltlich zu beschreiben hat.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 06+07/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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