Eine Annotation von Maria Careg
Dyckhoff, Peter:
Atme auf
77 Übungen zur Leib- und Seelsorge.
Don Bosco Verlag, München 2001, 192 S.

Atme auf? In der heutigen Zeit? Angesichts von Luftverschmutzung, Lärmterror, Reizüberflutung, BSE, steigender Kriminalitätsrate? Angesichts zunehmender zwischenmenschlicher Spannungen, Depressionen, Identitätsverlust?

Peter Dyckhoffs Beruf und Lebensinhalt (er ist Priester und arbeitete unter anderem als Gemeindepfarrer, Wallfahrtsseelsorger, Leiter eines bischöflichen Bildungshauses) besteht seit langen Jahren darin, in einer von Angst und Zerstörung geprägten Umwelt menschliche Wärme und Annäherung, Selbstbesinnung und spirituelle Anbindung an eine übergeordnete Ganzheit zu vermitteln, die in seinem Falle Gott heißt. Dyckhoff fand den Weg zur Theologie jedoch über den „Umweg“ der asiatischen Philosophie. Er erlernte und praktizierte Jahre vor der Aufnahme seines Theologiestudiums fernöstliche Meditationen. Dieses Wissen suchte und fand er schließlich auch im Christentum wieder, denn es ist letztendlich universelles Menschheitsgut. Diese vermutlich ziemlich einzigartige Kombination von fernöstlichem und frühchristlich-katholischem Gedankengut befähigt ihn daher, seinen hiesigen Lesern einen Leitfaden für die körperliche wie seelische Gesundung und Gesunderhaltung in die Hand zu geben.

Dyckhoff vermittelt auf seine warmherzige Art selbst jenen den Zugang dazu, denen dieser aus ideologischen oder religiösen Gründen sonst versperrt bleiben würde, und selbst für diejenigen, denen die eindeutig christlichen Bezüge mißfallen, bleibt genug geistiger Spielraum, die vermittelte Botschaft in eigene Begrifflichkeiten umzuformen.

Das Programm ist klar: Finde Zugang zu dir selbst - Bewahre deine Gesundheit - Stärke deine Persönlichkeit - Vertiefe deine Spiritualität - Verbessere deine Beziehung zu anderen. Die Übungen sind unaufwendig, leicht zu erlernen und auszuführen. Sie beruhen auf einfachen, aber wirksamen Atemtechniken und sanften Bewegungen. Entscheidend ist die bewußte Lenkung des Atems, des Lebensstroms, der in den östlichen Religionen verschiedene Namen hat. Neben dem Übungsablauf wird auch dessen Wirkungsweise beschrieben und der religiöse Bezug hergestellt. Wenig zeitaufwendig in der Ausführung, bewirken die Übungen doch ein Innehalten im täglichen Getriebe. Sie suchen den Ausgleich zwischen Körper, Geist und Seele und führen den Menschen auf sich selbst, in seine Mitte zurück. Nur aus dieser Mitte heraus kann das Erleben einer Umwelt, die durch permanente Erzeugung von Ängsten und Unsicherheiten geprägt ist, auf die Dauer gesund überstanden und die Lebensfreude erhalten werden. In seiner Einführung beweist Dyckhoff große Achtsamkeit im Umgang mit seinem Wissen, denn nicht für jeden ist jede Form der Meditation - um solche handelt es sich hier - gleich gut geeignet. Atme auf schafft daher einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Temperamenten und Seinszuständen. Wie wirksam diese Methode funktioniert, konnte der Autor selbst als Religionslehrer mit einer Rasselbande von überdrehten Schulkindern erproben. Unter anderem aus dieser Erfahrung heraus entstand das vorliegende Übungsbuch, das seinen Leserkreis sicher nicht nur unter Christen finden wird.

„Als Michelangelo Hammer und Meißel an einen rohen Marmorblock ansetzte, wurde er nach seinem Vorhaben gefragt. Er antwortete: ,In diesem Felsen ist ein Engel eingesperrt, und ich habe vor, ihn zu befreien.‘“ Finde den Engel in dir. Atme auf!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 04/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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