Eine Annotation von Gudrun Schmidt
Fitzgerald, Penelope:
Die Buchhandlung
Roman.
Aus dem Englischen von Christa Krüger.
Insel Verlag, Frankfurt/M. 2000, 181 S.

Hardborough ist ein langweiliges Nest irgendwo an der Küste Ostenglands. Seine Einwohner leben nach der Devise: Was mich nicht umbringt, macht mich stark. Entweder man erreicht ein hohes Alter, oder man landet gleich auf dem Friedhof. Jeder kennt jeden, und jede kleinste Neuigkeit macht sofort die Runde. Nichts scheint das Gleichmaß der Dinge zu stören, bis eines Tages Mrs. Green auf die Idee kommt, eine Buchhandlung zu eröffnen. Ausgerechnet eine Buchhandlung, die keiner bisher vermißt hat und die keiner braucht. Und daß gerade diese unscheinbare, nicht mehr ganz junge und verwitwete Frau die Idee zu dieser Geschäftsgründung hat, sorgt für zusätzlichen Gesprächsstoff. Trotz vieler mutwillig aufgebauter Hürden und mancher Unbill schafft es Florence Green, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen.

In dem Roman der 1916 geborenen englischen Erzählerin Penelope Fitzgerald steht die Buchandlung als Gleichnis, sich nicht mit Gegebenheiten abzufinden, sondern auszubrechen aus gewohnten Bahnen. Neben einer subtilen Beschreibung der bedrückenden Atmosphäre dieser öden Kleinstadt gelingt es der Autorin, unverwechselbare Charaktere zu gestalten, wie sie wohl nur diese verlassene Marschlandschaft hervorbringen kann. Es sind Einzelgänger wie Florence, einsame Menschen - der Reetschnitter, der Postbote, der Marschmann und Ersatztierarzt Raven oder der angesehene Mr. Brundish, der aus einer der ältesten Familien stammt, und, wenn er aus dem Haus geht, was selten genug geschieht, in seinem „dunkelgraugrünen Tweed“ aussieht wie ein „beweglicher Stechginsterbusch vor einer Stechginsterhecke oder wie Erde auf Schlick“.

Bei aller Skurrilität, wozu auch ein Poltergeist gehört, der im Haus der Buchhandlung sein Unwesen treibt, nimmt die Autorin ihre Figuren ernst, gibt sie nicht der Lächerlichkeit preis. Zur erbittertsten Gegnerin von Florence Green wird Mrs. Gamart, Generalsgattin, mit weitreichenden Verbindungen bis in Londoner Regierungskreise. Ihre Intrigen bringen das Projekt Buchhandlung schließlich zu Fall. Mrs. Green wird übel ausgetrickst und verläßt den Ort, in dem sie einen Teil ihres Lebens verbracht hat. Dennoch stimmt diese Geschichte nicht traurig. Was zählt, ist der Lebens- und Überlebensmut dieser Frau, ihre durch nichts zu erschütternde Überzeugung, daß auch Bücher lebensnotwendige Güter sein können. In diesem Sinne hat sie in der Stadt Freunde gewonnen, auch wenn sie eine Niederlage hinnehmen muß.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 04/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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