Eine Rezension von Friedrich Schimmel
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Fern-, Nah- und Geisterreisen

Luisa Francia: Die Magie des Ankommens
Ein spirituelles Reisebuch zur Entdeckung starker Orte.
Nymphenburger Verlagsbuchhandlung, München 2000, 189 S.

Luisa Francia liebt das Reisen. Sie war vielfach in Asien und in Afrika, in Europa und in Amerika unterwegs. Sie ist Magierin, und das bestimmt die Art ihres Erlebens. Zu Hause oder weit weg woanders. „Muß man reisen?“ fragt Luisa Francia in ihrer Einleitung. Nicht unbedingt, vor allem, wenn man sieht, was darunter alles wie vermarktet wird. Doch sie empfiehlt, man sollte schon „mal über den Tellerrand schauen, damit man den Suppenteller nicht für das Universum hält“. Sie liebt den Blick von außen, „die leise Sehnsucht, die mich ergreift, wenn ich in einem von Wanzen bewohnten Gasthaus nachts nicht einschlafen kann, wenn ich kein Wort mehr verstehe und verwirrt durch fremde Städte stolpere“. Dann spürt Luisa Francia die Kräfte, die sie „schieben und ziehen und süchtig machen“. Sich neuen Erfahrungen öffnen, Impulse aufnehmen, die der Alltag verdrängt, das ist eine große Chance. Das Wort „zauberhaft“ nimmt sie ganz wörtlich und somit auch ernst. Es ist ihr keine touristische Floskel, es ist die Formel für Öffnung von Welt und dem Selbst. Der Reisende befindet sich „im Gewebe der Geister, im Gewebe einer Energie, die alles verbindet“.

Wie eine perfekte Magierin zieht Luisa Francia den Leser in ihre magischen Räume. Sofern man ihr auch folgen will. Wer es nicht will, schlägt das Buch nach zwanzig Seiten zu und verpaßt einiges. Denn Reisen ist Eintauchen in Traumpfade, in andere und in eigene, verschüttete Wirklichkeiten. Luisa Francia ruft die Geister und unterhält sich mit ihnen. Selbst Pauschalreisen können „direkt ins Geistergewerbe“ führen, denn überall gibt es Begegnungen und Zufälle, Wunder und Erscheinungen. Allerdings gibt es für Reisende auch Krach und Verstimmung, der alljährliche Millionentraum vom Traumurlaub ist oft Ärger, Streß und Enttäuschung. Urlaub kann Lug und Trug sein. Doch der Reisende hat vieles selbst in der Hand. Oder im Kopf. Sofern er die richtigen Reise-Geister aufzurufen vermag. Wenn Luisa Francia reist, immer mit leichtem Gepäck, hat sie „alle Sensoren auf Wunder eingestellt, die es zu entdecken gilt“. Sie mag den Sog einer starken Urenergie, auch wenn das gefährlich werden kann. Die Energie eines Berges aufnehmen, wo bekommt der Pauschalreisende so etwas vermittelt? Am besten keine Pauschalreise, lieber gleich mit Luisa Francia fahren, mit ihr erleben, wie es ist, wenn man das Reiseziel aus den Augen verliert, um dorthin zu gelangen, wo „Geschichte auf mich wartete“. Ganz den eigenen Füßen vertrauen, die Erde wahrnehmen, auf Natur und ihre „Geister“ setzen. Und nicht den Rummelplätzen trauen, die Gaudi bieten und Emotionen hochkochen lassen. Wer mit Luisa Francia reist, was schon geschieht, wenn man ihr Buch liest, wird immer auch gewarnt vorm falschen Reisen. Vor allem die übertriebenen Erwartungen sind es, die aus Sonne und Strand Tränen und Haß erzeugen können. Rastlosigkeit kann verhängnisvoll sein. Ruhe und Meditation hingegen bringen Wunder hervor. Doch zuerst muß der Kopf des Reisenden frei sein. Frei sein von Hatz und falschen Vorstellungen. Luisa Francia schildert auch eine schamanische Reise, die immer eine Reise ist zu „den Geistern der oberen und der unteren Welt“. Nicht jeder Geist wird hier erklärt, aber das Schrittmaß der Reisenden erweckt Vertrauen, zieht den Mitreisenden mit hinein in den Sog eines Abenteuers, das ihm selbst gehört. Wer auf Hindernisse oder Unglücksfälle stößt, „kann sicher sein, mit den Unterweltswesen in Berührung gekommen zu sein“.

Erlebnisse werden beschrieben und zugleich immer wieder Fragen erörtert, die den vielen Irrtümern unterwegs gelten. Rastlose Reisebewegungen sind „Ausdruck für das Phänomen, daß wir nicht mehr verwurzelt sind, uns nicht mehr mitten im Leben spüren“. Und: „Wir reisen oft, weil wir keine innere Heimat mehr haben - aber da ist doch diese Unruhe in uns, diese Bewegungsautomatik.“

Von Reisedesastern ist mehrfach die Rede, von Impulsen in einer spirituellen Welt („Reisen in die eigene Traumzeit“) oder von nicht immer leicht nachvollziehbaren Geist-Körper-Navigationen. Auch wird eine bizarre Trancereise beschrieben, wo sich die Reisende im Kopf an einen anderen Ort versetzt. Ob Traumpfade in Asien oder einfach nur zu Hause, entscheidend ist die „Qualität des Erlebens“. Worum es überhaupt beim Reisen geht, immer ist der Mensch woanders: Träumen, erleben und zurückkehren. Manchmal muß man erst weit in die Ferne fliehen, um schließlich doch zu Hause, gleich um die Ecke, zu erfahren, was alles zu sehen, zu erleben ist. Wahrnehmungen, auf die kommt es an. Und Luisa Francia ist eine Meisterin in der Kunst der Wahrnehmung. Denn: Alles ist überall.

Den Zauber der Natur entdecken heißt Kraftplätze sehen und erfahren. Die Magie des Ankommens lernen: „Nur wer ankommen kann, sollte das Weite suchen, denn wer möchte schon in der allgemeinen Beweglichkeit aller Teilchen verlorengehen?“ Also: Verweilen, Innenhalten, auch Stille-Halten, Ruhe ist die erste Magier-Pflicht. Darum geht es der Magierin in ihrem Buch, das bis zum Schluß voller Spannung und voller Überraschungen ist.

Die beste Reisevorbereitung, ach ja, so einfach gesagt, was schwer zu machen ist: „Gelassenheitstraining“. Vorschläge und Erfahrungen: Wie man gegen den Strom reist und bei sich selbst ankommt. Gern teilt die Autorin ihre erlebnisreichen Erfahrungen und ihre Lieblingsreiseziele mit. Schön zu lesen, was sie an dem jeweiligen Ort besonders schätzte und was sie daran fesselte. Also: Reisen ist schön, Reisen ist strapaziös, Reisen öffnet die Welt und erfrischt die eigenen Sinne.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 04/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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