Eine Rezension von Licita Geppert
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Mörderischer Drang nach Ruhm, Geld und schönen Frauen

Jan Eik: Shooting
Ein Fotografenkrimi.
avEdition, Ludwigsburg 2000, 190 S.

OJ, mit bürgerlichem Namen Oliver John und seines Zeichens Privatdetektiv, scheint eine Affinität zu Mordfällen mit besonders wirkungsvoll gestalteten Schauplätzen zu haben. War es in seinem ersten Fall eine in Beton gegossene Leiche, die eigentlich zu früh gefunden wurde und nach Wegfall der Schalung eine Hauswand zieren sollte, so ist es nunmehr die mit dem Auge des geschulten Fotografen eingerichtete Inszenierung eines Selbstmordes, der seinesgleichen an Blutrünstigkeit sucht. Das Opfer hatte den Lauf der antiken Flinte auf sein Gesicht gerichtet und den Abzug anscheinend mit dem nackten Zeh betätigt, so daß die Ladung Schrot ihm das Gesicht in eine blutige Masse verwandelte. Keine sehr angenehme Art für einen Selbstmord und wohl auch mehr in Literatenkreisen beheimatet. Das Opfer ist Dolf Paray, ein ehemaliger WG-Kumpel OJs, berühmt-berüchtigter Starfotograf aus der Hamburger Fotografen- und Werbeszene. Somit erhält der Buchtitel Shooting eine grausige Doppelbedeutung.

Dolf Paray war zwar ein erfolgreicher Fotograf, jedoch auf dem absteigenden Ast. Sein Erfolg hatte ihm zahlreiche Neider beschert und seine arrogante, tyrannische Art zahlreiche Feinde. Geschiedene Ehefrau und Tochter, abservierte Geliebte, übervorteilte Assistenten: Die Auswahl potentieller Täter ist groß, wie es scheint. Eigentlich kommt aber von Anfang an nur eine Person dafür in Frage.

OJ war von Paray nach Hamburg bestellt worden, um diesem in einer Angelegenheit behilflich zu sein, die Paray als „eine kleine Erpressung“ umschrieben hatte. Obwohl sein Auftraggeber ja nun eigentlich den Vertrag einseitig gelöst zu haben schien, fühlte OJ sich dem alten Freund irgendwie verpflichtet, nicht zuletzt deshalb, weil er beim Auffinden der Leiche mit Professor Fritjof Loos zusammengetroffen und nun auch in den Verdacht der Beteiligung an diesem Todesfall geraten war.

Zum Glück zählt OJ, wie wir seit seinem ersten Fall wissen, zu den Betuchteren unter den Detektiven, ist also auf das Honorar nicht angewiesen, auf das er hier verzichten muß. Insofern folgt der Autor dem gängigen Klischee. Seine finanzielle Unabhängigkeit ist in diesem Fall durchaus von Vorteil, denn OJ ermittelt recht behäbig, die Zeitabläufe kommen einem viel länger vor, als sie im Buch angegeben sind. So richtig in Fluß kommen seine Ermittlungen eigentlich nur im (einzigen) Gespräch mit seiner Freundin Iris. Sie sollte öfter in die gedankliche Aufbereitung der Rechercheergebnisse einbezogen werden.

Um es vorwegzunehmen: Natürlich löst OJ diesen Fall, was aber nicht verhindert, daß zwischendurch ein Anschlag auf ihn verübt wird und auf den letzten Seiten noch ein weiterer Mord geschieht. Ebenso natürlich ist es, daß das Fotografenmilieu mit all seinen Gepflogenheiten und Absurditäten, der Jagd nach lukrativen Aufträgen, künstlerischen Animositäten und persönlichen Fehlleistungen eine große Rolle spielt. Jan Eik hat sich sehr gut eingefühlt in all die menschlichen Verirrungen und Abhängigkeiten, die in diesem Milieu so gut wie in jedem anderen auftreten, aber er vermittelt auch genau das, was die „Szene“ als solche ausmacht: der Drang nach Selbstdarstellung und Anerkennung als Künstler, nach Ruhm, Geld und schönen Frauen. Das Buch liest sich aber auch wie ein sozio-kultureller Führer durch Hamburg, viele Straßen, ihre Lage und ihre soziale Einstufung sind genauestens festgehalten, soweit das aus der Ferne zu beurteilen ist.

An OJs Seite ermitteln noch erstaunlich lustlos eine große Blonde mit großen Füßen, die Presse-Fotografin Meike Stovesand, und Kriminalhauptkommissar Brink (mit einem absolut verkorksten Eheleben), denen OJ in einem starken Finish den Täter in die Arme treibt.

Die Schwarzweißfotografien von Volker Schrank, die den einzelnen Kapiteln vorangestellt sind, beweisen den geschulten Blick des Profis für das Wesentliche, erzeugen aber gleichzeitig eine graue Trostlosigkeit, die für mich im Widerspruch zu der aufgewühlten Welt der Fotografen- und Werbebranche steht.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 04/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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