Eine Rezensionen von Eberhard Fromm

Handelnde Philosophen

Luciano Canfora: Ach, Aristoteles!
Anleitung zum Umgang mit Philosophen.
Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2000, 197 S.

Eigentlich sind Philosophen in erster Linie Menschen, die denken. So kennt man sie, so werden auch ihre Biographien erzählt. Der italienische Philologe Luciano Canfora (geb. 1942) geht einen anderen Weg, wenn er hier fünf griechische Philosophen vorstellt. Er zeigt sie vor allem, in den meisten Fällen sogar fast ausschließlich, als handelnde Menschen, die in den Kämpfen ihrer Zeit aktiv waren, die nicht nur über Politik nachdachten und schrieben, sondern von der Politik betroffen waren und sie mit gestalteten.

So entstand ein köstliches kleines Buch, in dem man von den großen Denkern Sokrates, Xenophon, Platon und Aristoteles erfährt, wie sie sich in ihrer Zeit verhalten und engagiert haben. Damit entsteht zugleich eine kleine Geschichte Athens und der Athener, die die Fähigkeit entwickelt hatten, „von einem winzigen Eckchen der Welt ausgehend, das Weltall zu denken“. Lediglich im letzten Abschnitt, gewidmet dem griechischen Philosophen Epikur und dem römischen Dichter Lukrez, spielen das philosophische Werk und seine Wirkung eine zentrale Rolle, wodurch sich denn auch dieser letzte Teil ein wenig abhebt und anders gelesen werden will.

Besonders plastisch erscheinen Platon und Aristoteles. Dabei wird Platon im Unterschied zu Aristoteles als einer jener Philosophen charakterisiert, die sich - wie zum Beispiel auch Karl Marx - nicht damit begnügen, die Welt nur zu beschauen, sondern die durchaus bereit sind, sich die Hände schmutzig zu machen. Allerdings habe er sein großes Ziel verfehlt, die Macht zu steuern. Statt dessen sei er selbst als Opfer ins Räderwerk der Machtpolitik geraten. Als eine zeitübergreifende Schlußfolgerung, die wohl auch für die Gegenwart gelten soll, heißt es dann bei Canfora: „Sobald ein Mensch ... die Schwelle vom Intellektuellen zum Politiker überschreitet, wechselt er auch die Moral.“

Bei der Darstellung des Aristoteles geht der Autor zweigleisig vor: Er schildert einerseits das politische Leben des Philosophen, zeigt deutlich die enge und doch widersprüchliche Beziehung zu Alexander auf und setzt sich auch mit der These auseinander, wonach Aristoteles quasi ein mazedonischer Agent gewesen sein soll; andererseits zeichnet er akribisch den Weg der Wiederentdeckung der aristotelischen Werke nach, ganz nach dem Motto: „Auch Bücher haben ihr Schicksal.“

Von Epikur und Lukrez erfährt man im Unterschied zu den Vorhergehenden wenig über ihr politisches Handeln. Hier steht ihre Gedankenwelt - dargestellt vor allem am Werk des Lukrez Über die Natur/Welt aus Atomen - im Mittelpunkt, wobei davon ausgegangen wird, daß das Versepos des Lukrez „das einzige epikureische Werk“ sei, das „integral überliefert wurde“.

Der Übersetzer Peter O. Chotjewitz hat ein Nachwort („Nichts als Fragen“) verfaßt, in dem er sich bemüht, an den lockeren Stil von Canfora anzuknüpfen und doch zugleich ein paar zusätzliche sachliche Hinweise zu geben. Bei aller Warnung vor unzulässigen Vergleichen zwischen der Zeit jener Philosophen und der Gegenwart hebt er - wohl zu Recht - hervor, daß es Canfora gelungen sei zu zeigen, wie „erstaunlich viel Heutiges in den fünf Athenern“ sei. Wohl auch deshalb liest man das Buch mit solchem Vergnügen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 04/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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