Literaturstätten von Bernd Heimberger

Von Leuten und Linien

Fünf Jahre QUER Verlag

'n bißchen quer leben sie - die Ilona Bubeck und der Jim Baker. Was heißt: Sie leben nicht verquer! Das heißt, sie haben nichts miteinander und haben doch manches miteinander zu tun. Zur allgemeinen Erheiterung werden Bubeck und Baker gern als Muster einer mustergültigen „Homo-Ehe“ in Deutschland vorgestellt. Sie sind also Partner. Auch im Sinne des Gesetzes. Sie sind eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg. Ansonsten leben B + B einvernehmlich in getrennten Verhältnissen. Sie gut (?) und gern (!) lesbisch. Er gut (?) und gern (!) schwul. Dem gemeinschaftlichen Tun und Treiben hat das noch nie geschadet. B + B sind der Doppelkopf des einzigen, konsequenten und beständigen deutschen Verlages, der „Bücher für Lesben und Schwule“ nicht nur auf Deibel komm raus produziert. Rückhalt garantieren dem Unternehmen die Leser. Drei Mitarbeitende stärken derzeit den Unternehmern den Rücken. Es muß nicht geoutet werden, wer von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Verlages die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter macht. Was nicht bedeutet, daß Dabeisein schon alles ist. Gemeinsam macht das Team den QUER Verlag möglich. Da denke sich nun jede oder jeder, was sie, er denken mag. Simpel gesagt: Namensgerecht geht's quer durch die Linien. Deshalb auf Linie verzichten? Den Tort tun sich Bubeck und Baker nicht an. Sie achten auf Linie. Ihre Linie heißt Integration. Bubeck und Baker sind Leute, die integrieren können, weil sie integrieren wollen. Ob die Linie schon reißfest ist? Nach fünf Jahren des integrativen Mühens? Fünf Verlagsjahre hinter sich, hat das Duo fünf Jahre vor sich. Und so weiter, und so weiter, und so weiter!

Fünf Jahre sind guter Grund, um zu feiern. Nicht feste. Nicht zu festlich. Eher in der Art eines lesbisch-schwulen Freundschaftstreffens, das wahrlich nicht selbstverständlich für die Gesamt-Szene ist. Also lud der QUER Verlag Freundinnen und Freunde Anno November 2000 ins SchwuZ, sprich Schwulenzentrum. Das ist im nordwestlichen Kreuzberg zu finden. Ist ein Ort fürs Suchen und Verirren. Nicht nur für Suchende. - Zur Fete hatte der Verlag seine Fahne nicht rausgehängt, die mit der immer populärer werdenden Regenbogenfahne identisch ist. Den Hinweis, wo der Zugang zum Verlagsfest ist, gab's, nach irritierendem Gang durch Gänge und Höfe, im Büro des SchwuZ, das auch an einem Sonntag, 22 Uhr, besetzt war. Also ab durchs Café Sundström, treppauf, treppab, vorüber an bunten Toiletten, hinab in die Katakomben des Mehringdamms 61. Dunkle, dunkelrote Farben dominieren. Lichter-Glimmer-Glitzer beleuchtet Momente Menschen und läßt sie umstandslos, anstandslos fahl aussehen. Stufen sind gut fürs Stolpern und Stürzen, solange die Lokalität nicht abgetastet ist. Vom Sechs-Platten-Fest-Büfett ist übrig, was übrig bleibt, wenn nichts übrig bleibt - die papierne Dekoration! Kulinarisch ist die Geburtstagsfeier eine Kalamität wie die Finanzen der Linientreuen, Linienmachenden. Der Verlag gesteht aufrichtig und öffentlich, daß er bettelarm ist. Auch, weil sich ein TAGESSCHAU-Sprecher - aufrichtig und öffentlich - gegen die Würdigung als Schwuler gerichtlich wehrte. Vergessen ist sein Name! Der QUER Verlag rettet sich in eine angekündigte Benefiz-Veranstaltung für den QUER Verlag. Gewissermaßen als Voraufführung gibt's an diesem Verlags-Feier-Abend ein Kulturprogramm im großen, abgestuften, bespielbaren Kellerraum. Eine Person liest, der ungestraft eine Harry-Potter-Verwandtschaft nachgesagt werden kann. Die Stimme ist die Stimme eines Stimmbrüchigen. Macht nix! Quer ist hier die Offenbarung. Der Reaktion des Publikums nach zu urteilen ist das Gebotene „einfach geil“. Die eher schwache schwule Gemeinde der Nacht ist so dankbar wie die starke lesbische Gemeinde. Beifall gibt's genug und auch laut genug. Selbst für die zuletzt Lesende, die Philosophisches in Prosa preßte und somit die Prosa erpreßt.

Kein Verlag kann sich seine Autoren nur aussuchen! Oder? Ilona und Jim sehen so aus und sagen es, daß sie mit ausgesuchten Autoren arbeiten. Was einer der Werte des Verlages ist, wie betont wird, als sich die Verlags-Führung zur Frage-Antwort-Runde eines Schnell-steh-Talks auf dem Podium einfindet. Zu hören ist, daß der QUER Verlag im Laufe der Jahre treuen Lesern zusätzlich 1 Meter 32 Bücher ins Regel bugsierte. Die komplett nur die „Deutsche Bücherei“ nachweisen kann, die berechtigt ist, Pflichtexemplare abzuzocken? Für Jim Baker ist publizistisch alles akzeptabel, was Sex-Spiel-Art gleichberechtigt gelten läßt. Den Äußerungen nach neigt Er eher zum Unterhaltenden im Kämpferischen. Reger reagierend, neigt Sie eher zum Kämpferischen auch im Unterhaltenden. Ilona Bubeck protestiert sicher nicht, wenn von ihr behauptet wird, daß sie Bücher des Verlags auch als Streit-Schriften sieht, die für Debatten da sein sollen, die die politisch schwächelnde lesbische und schwule Szene politisiert und so stabilisiert. Bubeck bedauert die mangelhafte politische Potenz. Ein Problem sowohl der Lesben wie der Schwulen. Die Bekundung der Verlegerin bekommt besonderen Beifall. Ist das der Abend der Avantgarde? Die Moderatorin macht aus dem Beifall, was Moderatoren gern machen: Propaganda. Sie spürt politische Potenz. Dafür spricht die Präsenz des lesbisch-schwulen Verlages, sein Programm und die Wirkung der Bücher. Die haben, so die Meinung der Moderatorin, der schwul-lesbischen Szene geholfen, sich wesentlich zu verändern. Da wird Jim Baker still. Ilona Bubeck freut's, was nicht bedeutet, daß sie Forderungen zurücksteckt. - Während des abschließenden Tanz-Knutsch-Schwatz-Trubels darum gebeten, in einem Satz zu sagen, was das Schönste war in/an den fünf Jahren, gibt's bei Bubeck und Baker Übereinstimmung. Ohne Verabredung. Denn keiner hat die Antwort des anderen gehört. O-Ton Jim Baker: „Mit so vielen Menschen zu arbeiten!“ O-Ton Ilona Bubeck: „Die Leidenschaft im Büchermachen. Autorinnen und Autoren groß zu machen!“ Womit was alles gesagt ist? Auch, daß sich Männer kürzer fassen? Daß damit alles auf Linie ist? Welcher denn? Der politisch korrekten oder unkorrekten, die uns weismachen will, daß Frauen mehr intuitiv als politisch-analytisch sind? Scheint, der QUER Verlag hat und zieht Linie, die politisch ist und quer zur unkorrekt-korrekten politischen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 04/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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