Eine Annotation von Maria Careg
Merle, Robert:
Die Rosen des Lebens
Roman.
Aus dem Französischen von Christel Gersch.
Aufbau-Verlag, Berlin 2000, 395 S.

Mit Die Rosen des Lebens hat Merle den sechsten Band seiner Romanfolge Fortune de France vorgelegt. Das mehrere tausend Seiten umfassende Werk beschreibt die aufregende, von zahlreichen Wechselfällen geprägte Zeit ab 1550, die durch Glaubenskämpfe und unentwegte politische Ranküne geprägt war. Der vorangegangene Band endete mit der Machtergreifung durch den jungen Ludwig XIII., dessen erste Regierungsjahre (1617 bis 1623) den Rahmen für dieses Buch bilden.

Ich-Erzähler ist hier wie da der Chevalier de Siorac, der als einstiger Vertrauter des drangsalierten Königskindes nunmehr in den Adelsstand erhoben wird und voll Ergriffenheit und Stolz die Freuden und Leiden eines Grafen auskosten darf. In der bekannten betulichen, blumigen und langatmigen Weise erzählt Siorac seine Geschichte, und der Leser oder eigentlich die oft beschworene „schöne Leserin“ wird genötigt, jeden einzelnen Schritt in Echtzeit zu verfolgen. Ein Erzählfaden läßt sich nur schwer erkennen. Merle hat mit großem Fleiß und gehöriger Sachkenntnis jede noch so unscheinbare historische Quelle aufgespürt und ausgewertet. In diesem Wust an Details finden sich so pikante Einzelheiten wie die Unfähigkeit des Königs, seine Ehe mit Anna von Österreich zu vollziehen, aber auch die diplomatischen Verwicklungen, die sich aus dieser offensichtlichen Mißachtung der Tochter des mächtigen spanischen Königs ergeben.

Die dramaturgische Rolle Sioracs besteht in seiner Nähe zur Macht. Auf jedem Schauplatz eines wichtigen Ereignisses ist er zugegen oder erhält zumindest Kunde davon, die er in seltsam gewundenen Sätzen direkt an den Leser - die geneigte Leserin - weitergibt. Beachtenswert ist die Leistung des jungen Königs durchaus, der sein von Intrigen und Zerwürfnissen erschüttertes Reich zusammenhalten muß, erstaunlich ist seine Entschlußkraft, ebenso wie seine diplomatische Schlagfertigkeit, obwohl Ludwig kein Freund von Reden ist, die über zwei Sätze hinausgehen. Leidlich spannend sind die Bemühungen des Kardinals Richelieu, des einstigen Vertrauten Maria de Medicis, von Ludwig in den Kronrat aufgenommen zu werden, nachdem er zunächst der verhaßten Mutter des Königs in die Verbannung gefolgt war. Rundherum bevölkern viele skurrile Typen den Louvre, wie man sie aus einschlägigen Verfilmungen kennt und wie sie vermutlich auch gelebt haben. Ein Roman ist bei dieser Zusammenstellung allerdings nicht herausgekommen. Viel zu eng klebt der Autor an historischen oder persönlichen Details und an der Figur seines Erzählers. Die Zusammenhänge verblassen, der Handlungsfaden geht verloren. So interessant das Thema auch sein mag, weniger wäre hier mehr gewesen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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