Eine Annotation von Björn Berg
Gaymann, Peter:
Von Hühnern und Menschen
Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 2000, S.

Mit den lustigen Hühnern geht man gern früh ins Bett. Und dauert das Techtelmechtel bis in den frühen Morgen, und will das Gackern den ganzen nächsten Tag kein Ende nehmen, ist die Gewißheit grenzenlos, daß das Leben wahrlich auch was anderes sein kann als eine Hühnerleiter: dreckig und beschissen! Dem zu den Hühnern haltenden P. GAY sei dank, der die Hühnerwelt unumwunden ausplauschen läßt, was sowieso alle Welt weiß: „Alle Hähne sind Schweine!“ Wo so viel Übereinstimmung herrscht, legt sich ein williges Hühnchen auch mal hemmungslos vertrauensvoll auf die Couch eines Ebers. Kein Wunder, daß sich das Huhn alsbald in die Lüfte schwingt, im guten, festen Glauben, ein Adler zu sein.

Von pragmatischerer Natur ist die Schnecke, die ihre Fluggelüste befriedigt, indem sie die Afterwinde eines Hahns als Düsenantrieb nutzt. Eingeweihte wissen bereits, welchem tierischen Therapeuten hier das Hohelied geschmettert wird. Peter Gaymann heißt der Cartoonist, der keine Chance verstreichen läßt, sich der Stifte aller Art zu bemächtigen, um den lieben Leuten mächtig ans Seelenleder zu gehen. Wem beim Anblick seiner tierisch-menschlichen, menschlich-tierischen Cartoons nicht in den Sinn kommt, Gott einen guten Mann sein zu lassen und sich selbst eine gute Frau - oder was sonst auch immer -, der hat auf dieser Welt ohnehin nichts mehr zu lachen. Keine Stinkefinger, doch Fingerzeige sind die Zeichnungen des P. GAY, die einmal mehr klarmachen, daß immer mehr Finger auf einen selbst als auf den oder die anderen weisen. Kurzum: Gaymann zeigt's Ihnen, was für ein Hähnchen-Huhn, was für eine Schweine-Schnecke Sie sind. Komme keiner und behaupte, da hat ihn jemand zur Sau oder zur Schnecke gemacht!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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