Eine Rezension von Bernd Heimberger

Die Staeck-Story

Klaus Staeck: Ohne Auftrag
Unterwegs in Sachen Kunst und Politik.
Gerhard Steidl Verlag, Göttingen 2000, 287 S.

Klaus Staeck vor Klaus Staeck in Schutz nehmen? Muß das sein? Hat der das nötig? Der hat sich doch immer zu wehren gewußt. Dennoch: Diesmal hat Staeck, den manche für einen maßlosen Übertreiber halten, maßvoll untertrieben. Die in feines - wie anders? - rotes Buchleinen gekleidete Lebens-Werk-Präsentation nennt der Künstler Ohne Auftrag. Man ahnt, was gemeint ist. Aber Staeck, der Foto-Monteur, der nicht die Fortsetzung des John Heartfield in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist, ein Mann ohne Auftrag? Bei Gott, das kann kaum glauben, wer seit vier Jahrzehnten mitangesehen hat, was Klaus Staeck zur An-Sicht brachte. Staecks Ambition aufzumucken, aufzumerken, aufmerksam zu machen ist der Auftrag, dem er sowenig wie möglich schuldig bleiben will. Ohne die Ambition wäre Klaus Staeck nicht der Staeck, der er ist. Auf die einfachste Formel gebracht: Der Anti-Plakat-Macher aller Plakatmacher in Deutschland. Was er im Laufe der Zeiten dem Volk vor die Nase hängte, teilt die Betrachter in Bewunderer und Beleidiger. Selten ein Staeck, der kein Streitfall ist. Ist ein Staeck, der kein Streitfall ist, ein Staeck? Wer läßt sich schon gern seine Sturheit und seinen Stumpfsinn, seine Dummheit und Dämlichkeit, seine Engherzigkeit und Engstirnigkeit, seine Gedankenlosigkeit und Gefühlskälte vorführen? Sie liefern den Stoff für Staecks Kunst-Stücke. Das Zynische steckt im Stoff. Nicht in den ironischen Arbeiten des Interpreten.

Klaus Staeck, der zu dieser einzigartigen Buch-zur-Schau-Stellung auch reichlich Texte beisteuerte, beteuert, sich bereits als elfjähriger Schüler der Bitterfelder Pestalozzi-Schule erfolgreich gegen die Unterstellung gewehrt zu haben, „zynisch“ zu sein. Staeck ist Satiriker! Einer von der Sorte, die nicht, wie die Karikaturisten, Realität ins Satirische übersetzt. Staeck sieht das Satirische in der Realität und macht die Realitäts-Blinden wieder sehend. Staeck ist ein Seher. Er sieht mit beiden Augen, was ihn in der einäugig gewordenen Sehgesellschaft zur Ausnahme macht. Vermutlich gehört Klaus Staeck zu der seltenen Gattung, die mit dem dritten, dem inneren Auge ausgestattet ist. Nennen wir's das künstlerische Auge, das mehr Realität erkennt, als die erkennbare Realität Realität hat. Der ironische Satiriker Klaus Staeck ist Volkserzieher, wie das sein geistiger, künstlerischer Bruder Heartfield war. Vernunftsgründe bewogen den einen wie den anderen, dem Volk Lektionen zu erteilen. Konsequenter als Heartfield, ist Staeck der Künstler, der Vernunft nicht vom Vergnügen abkoppelt. Als Autor ist Staeck seinem Anverwandten Heartfield am nächsten, wenn er ein mahnend-ratgebender Formulierer ist. Staeck also besser sehen als hören, sprich lesen? Selbstverständlich ist Staeck zuerst da, um gesehen zu werden. Entsprechend ist das Buch ausgeführt und ausgestattet, das als die Klaus-Staeck-Lebens-Werk-Story nicht falsch bezeichnet ist. Staeck total sozusagen! Was zu lesen ist zu Leben und Arbeit ist auch eine deutsche Chronik eines 1938 Geborenen, der ein nicht unmaßgeblicher Teil eines Teils der bundesrepublikanischen Kunst- und Polit-Kultur ist. Das Herz des Klaus Staeck schlägt links. Was mit links auch immer gemeint ist! Wer sich das große Staeck-Buch leistet, leistet sich das Werk eines Künstlers, der was geleistet hat, was sich nicht achtlos beiseite legen läßt. Wie die Staeck-Postkarten, die fast keinen deutschen Haushalt ausgelassen haben.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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